© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/14 / 28. November 2014

Frisch gepresst

Brückenbauer. Zu seinen Schülern zählten politisch nicht ganz bedeutungslose Männer wie Rudolf Heß und Franz Josef Strauß. Ebenso akademisch in der Beletage etablierte Historiker vom Schlage Walter Franks oder Theodor Schieders, des Doyens seiner Disziplin in der alten BRD, der wiederum der Lehrer Hans-Ulrich Wehlers war. Die Rede ist von Karl Alexander von Müller (1882–1964), dessen Karriere in München als Landeshistoriker begann und der während der NS-Zeit zum einflußreichsten Vertreter seines Faches aufstieg. Müller, bayerischem Beamtenadel entstammend und in Münchner Salons früh Adolf Hitler begegnend, verstand sich als Brückenbauer zwischen Bürgertum und NS-Bewegung, deutschnationalem Konservatismus und nationalsozialistischer Moderne. Matthias Berg hat mithin eine Schlüsselfigur unter den von jeher politisch engagierten deutschen Historikern zum Gegenstand seiner Berliner Dissertation gemacht. Seine auf gründlicher Quellenauswertung basierende Arbeit zeigt aber leider nirgends eine intellektuelle Anstrengung, um das buchhalterisch so penibel wie dröge referierte Material jenseits des engen ideologischen Verfasserhorizonts aufzubereiten und vom politisch korrekten Vorverständnis befreite Einsichten zu vermitteln. (dg)

Matthias Berg: Karl Alexander von Müller. Historiker für den Nationalsozialismus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014, gebunden, 572 Seiten, 79,99 Euro

 

Robert Musil. Hochgelobt und doch wenig gelesen, gilt der diplomierte Ingenieur und promovierte Philosoph Robert Musil (1880–1942) als einer der bedeutendsten Schriftsteller der Moderne. Für die Realitäten der Politik, so behauptete der literarische Verfechter des „Möglichkeitssinns“, habe er nie ein Talent verspürt. Was den k. u. k. Offizier 1914 nicht hinderte, sich in einem Essay „Europäertum, Krieg, Deutschtum“ dem Gemeinschaftspathos der „Ideen von 1914“ hinzugeben. Diesen Beitrag zur Kriegspublizistik hat Martin Bertleff mit einer Reihe späterer Arbeiten, mit denen der nach 1918 kosmopolitischer gewordene Musil ebenfalls den „Forderungen des Tages“ genügte, in einem Band versammelt, der einlädt, den Verfasser eines erratisch-abweisenden Erzählwerks als scharfzüngigen Polemiker und Opponenten des Zeitgeists kennenzulernen. (wm)

Martin Bertleff (Hrsg.): Robert Musil. Der deutsche Mensch als Symptom. Reden und Aufsätze zur Politik. Karolinger Verlag, Wien 2014, gebunden, 206 Seiten, 23 Euro

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