© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/14 / 12. Dezember 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
„Unnötige Bürokratie“
Ekkehard Schultz

Die Politik beginnt auf die seit dem vergangenen Jahr rasant steigende Zahl der Asylanträge zu reagieren. Doch tut sie das anders, als es vermutlich viele erwartet haben. Daran, daß die Lage zunehmend ernster wird, besteht kein Zweifel. Wurden 2007 in der Bundesrepublik etwas mehr als 19.000 Neuanträge registriert, so waren es im vergangenen Jahr bereits 109.000 Anträge. In diesem Jahr wird mit bis zu 230.000 Anträgen gerechnet. Dies hat zur Folge, daß viele Kommunen ständig auf der Suche nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge sind.

In der vergangenen Woche hat der Bundestag Gesetzesänderungen beschlossen, mit denen die rechtliche Stellung von Asylbewerbern verbessert wird. Diese sollen sich künftig nach drei Monaten Aufenthalt frei in Deutschland bewegen dürfen. Eine Verlagerung des Wohnortes während des laufenden Verfahrens ist jedoch auch zukünftig nur in Ausnahmefällen möglich. Außerdem sollen sie nach drei Monaten vorrangig mit Geld- statt mit Sachleistungen unterstützt werden.

Generell werden damit die Bedingungen für einen dauerhaften Aufenthalt von Flüchtlingen in der Bundesrepublik deutlich erleichtert. Gewährt wird er künftig allen, die einen mindestens achtjährigen Aufenthalt in Deutschland nachweisen können, über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen und in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt überwiegend selbst zu bestreiten. Bei Personen mit mindestens einem minderjährigen Kind soll dies bereits nach sechs Jahren möglich sein. Des weiteren haben Asylbewerber künftig einen Rechtsanspruch darauf, Geldleistungen statt Sachleistungen zu erhalten. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoguz, bezeichnete die Gesetzesänderung als „wichtigen Schritt in Richtung Normalität“ für Flüchtlinge. Sie müßten „nicht mehr um Erlaubnis fragen“, wenn sie etwa „ihren Landkreis verlassen wollen, um „ein Fußballspiel anzuschauen oder Familienangehörige zu besuchen“. Zugleich diene das Gesetz auch dem Abbau von „unnötiger Bürokratie“, von der letztlich auch die Kommunen selbst profitieren würden.

Bereits im Mai dieses Jahres stellte das Bundesinnenministerium einen Referentenentwurf „zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ vor. Dieser Entwurf enthält zum einen eine Anpassung des Rechts an die reale Gefahrensituation. So wurden etwa in den vergangenen Jahren fast sämtliche Asylanträge abschlägig entschieden, die von Personen aus Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien gestellt wurden.

Die Behörden können davon ausgehen, daß dort offenkundig keine Gefahr für die Antragsteller droht. Deswegen werden nunmehr diese Balkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten bezeichnet, um künftig solche Anträge schneller als „offensichtlich unbegründet“ abzulehnen und eine Rückführung der Personen einzuleiten. Beschleunigt werden soll ebenso die Abschiebung von Kriminellen und Personen, die ihre Identität gezielt verschleiern.

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