© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/14 / 12. Dezember 2014

DVD: Bitterer Reis
Vor Liebe blind
Werner Olles

Die Renaissance des italienischen Films nach dem Zweiten Weltkrieg war auf eine neue Richtung zurückzuführen – den Neorealismus. Er wurde zu einer Kampfansage gegen die Romantik des Faschismus und zum Aufruhr gegen die Konventionen der italienischen Kultur. Die soziale Not seiner Zeit anprangernd, erschien als einer der ersten Bannerträger Roberto Rossellini auf dem Plan, der mit „Rom, offene Stadt“ (1945) eine Chronik des Leidenswegs seines Landes schrieb. Dagegen stand Vittorio de Sicas kämpferischer Humanismus, der mit „Fahrraddiebe“ (1948) die Verlassenheit des Menschen und sein Streben nach Gemeinschaft schilderte.

Schon der zweite Film des ehemaligen Journalisten Giuseppe De Santis sollte seinen Namen über die Grenzen tragen. „Bitterer Reis“ (Riso amaro, 1948) bewegte sich in filmischem Neuland. Mai 1948 zur Zeit der Reissaat: Hunderte Frauen ziehen alljährlich auf die Felder, um für ein Kilo Reis pro Arbeitstag 40 Tage lang schwerste Arbeit zu leisten. Auf der Flucht vor der Polizei überredet der Ganove Walter (Vittorio Gassman) seine Freundin Francesca (Doris Dowling), gestohlene Juwelen zu verstecken und sich unter die Landarbeiterinnen auf den Reisfeldern zu mischen. Silvana (Silvana Mangano), eine Reispflückerin, die von einem besseren Leben träumt, verliebt sich in den charmanten Verbrecher, der sie überredet, den für die Frauen als Lohn vorgesehenen Reis zu stehlen, während Francesca sich dem rechtschaffenen Soldaten Marco (Raf Vallone) zuwendet. Dennoch verrät sie Walter aus Eifersucht an die Carabinieri. Silvana hat inzwischen Walters falsches Spiel durchschaut und kann verhindern, daß dieser einen Polizisten tötet …

Giuseppe De Santis Melodram „Bitterer Reis“ führte 1949 zu einem Skandal, weil es die leidenschaftlichen Verwicklungen der Beteiligten wohl zu realistisch einfing. Das Milieu der Saisonarbeiterinnen auf den padanischen Reisfeldern und die erbittert geführten Auseinandersetzungen zwischen den beiden vor Liebe blinden Frauen schildert der Regisseur kompromißlos. Leider fehlt es De Santis an psychologischer Gestaltungskraft, zudem enthält sich der in der Schauspielerführung mangelhafte Film jeder geistig-moralischen Bewertung. Überzeugen kann der Film durch seine exemplarisch schöne Bildgestaltung.

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