© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/14 / 12. Dezember 2014

Medizynische Betrachtungen
Ein Gedichtband von Günter B. Merkel
Thomas Paulwitz

Ein Zyniker ist der Wortherkunft nach derjenige, der bissig wie ein Hund (griechisch „kyon“) und frei von gesellschaftlichen Zwängen die Welt verspottet. Der „Medizyniker“ Günter B. Merkel verwandelt den Spott zur Medizin. Wer den „Minikosmos Mensch“ zu sich nimmt, wie das neueste Gedichtbändchen des „Reim-Kanzlers“ Merkel heißt, der verabreicht sich eine Portion Zynisches, Hintersinniges und Heikles. Das Heilmittel des „Medizynikers“ lautet, den Widerspruch in Worte gefaßt: „Lache dich krank und bleibe gesund!“ Dabei gelingt Merkel das Kunststück, mit seinem beißenden Humor niemanden zu verletzen. Wenn etwa „Prothesen protestieren“, so daß der Mensch ins „Ersatzteillager“ eilen muß, dann macht der Wortwitz das Leid erträglicher.

Hang zum Zeilensprung

Zunächst geht es um einzelne Körperteile: „Nachfolgend wird exakt erklärt, / Wie der Körper funktioniert, / Wobei man nebenbei erfährt, / Daß er nicht ewig existiert.“ Der Leser lernt von Gedicht zu Gedicht, was er schon immer über seinen Körper wissen wollte, aber sich noch nie zu fragen traute. Der „Medizyniker“ beginnt mit der Hülle: „Die Haut an sich ist wasserdicht, / Was für sie als Verpackung spricht.“ Zum Gehirn stellt der Dichter fest, was wir schon ahnten: „Doch ist der Mensch besonders dumm, / Lagert dort ein Vakuum!“

Nachdem die „fleißigen Organe“ gewürdigt sind, folgen die vielschichtigeren Systeme des Menschen: von der Atmung über Charakter und Seele bis schließlich hin zum unvermeidlichen Ende. Nicht zuletzt gehört auch die Sprache in dieses Feld: „Die Sprache ist dem Menschen eigen, / Aber auch die Tiere zeigen, / Daß sie sich bestens unterhalten / Können und kurze Reden halten.“ In Versen wie diesen fällt der Hang des Dichters zum „Enjambement“, zum Zeilensprung auf. Mit diesem Kniff vermeidet er, daß Versmaß und Reime eintönig klingen.

Am Ende des „Minikosmos Mensch“ steht die Mahnung, nicht zu sehr über die Stränge zu schlagen. Denn wenn sich jemand zu schlecht benehme, „Holt ihn der Teufel in die Hölle, / Statt zum Karneval nach Kölle.“ Wer jedoch Merkels Medizin genießt, dem kann der Teufel nichts anhaben.

Günter B. Merkel: Minikosmos Mensch. Eine medizynische Betrachtung von Dr. humoris causa Merkel, SWP-Buch-Verlag, Wilhelmsfeld 2014, gebunden, 64 Seiten, 7,77 Euro. Bestellung unter Tel: 0 62 20 / 63 10. www.merkel-gedichte.de

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