© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/14 / 12. Dezember 2014

Eine Rückkehr in die Heimat können sich nur wenige vorstellen
Exodus nicht umkehrbar: Nach einer Existenz in der Apartheid enden fast 2.000 Jahre Christentum im Nahen Osten
Oliver Busch

Allen hehren völkerrechtlichen Deklarationen zum Trotz hat die von Polen und Sowjetrussen ins Werk gesetzte Vertreibung der Deutschen aus Ostdeutschland schlechte Schule gemacht. Denn seit 1945 ist deren gewaltsame „Musterlösung“ politischer Konflikte international zum beliebten Mittel der Wahl avanciert. Jüngsten Anschauungsunterricht dazu bieten die Austreibungen christlicher Minderheiten in Syrien und im Irak.

Abgar Maloul, Präsident des Syrisch-Amerikanischen Forums in Chicago, erklärt zwar trotzig im Namen seiner Landsleute, daß „wir keine Verfolgung aus religiösen Gründen im Nahen Osten zulassen“, sondern Christen ermutigen werden, in ihrer Heimat auszuharren (Politische Studien, 456/2014). Da die von „Dschihadisten und autoritären chauvinistischen Regimen“ geschaffenen Machtverhältnisse diese Option als Schimäre erweist, fordert Maloul „Unterstützung aus dem Westen“, damit nicht weiter „ethnisch gesäubert“ werde.

Dieser ominöse „Westen“ solle Druck ausüben, um der verbliebenen wie der exilierten Bevölkerung dabei zu helfen, im Krisengebiet säkulare demokratische Verfassungen zu installieren, die die Trennung von Staat und Religion sowie die Erklärung der Menschenrechte endlich in diesem Teil der Erde durchsetzen. Nur ein derart fundamentaler Systemwechsel befreie Christen aus der Apartheid. Erniedrigen sie doch die Verfassungen aller arabischen Staaten, ausgenommen die des Libanons, zu Bürgern zweiter Klasse, da sie festlegen, daß der Islam Staatsreligion, der Präsident ein Moslem und der Koran Grundlage für die Gesetzgebung sein solle.

Intoleranz ist islamischen Gesellschaften immanent

Maloul ist jedoch nicht Illusionist genug, um wirklich an eine verbesserte Neuauflage des Arabischen Frühlings im einstigen Reich der Semiramis zu glauben. Wie er die USA, die einzige westliche Interventionsmacht mit ausreichender militärischer Potenz einschätzt, drückt er mit einem Zitat von Condoleezza Rice aus, die 2005 in Kairo gestand: „Sechzig Jahre lang hat mein Land, die USA, Stabilität in dieser Region hier im Nahen Osten auf Kosten der Demokratie angestrebt, und wir haben keins von beiden erreicht.“

Bestenfalls komme es zu einem „letzten Widerstand“, aber danach würden fast 2.000 Jahre christliches Leben in Nahost Geschichte sein – wie die Statistik belege: In Syrien belief sich der christliche Bevölkerungsanteil 1995 auf 30, im Irak auf über 20 Prozent. Heute zählt man dort 10 bzw. kaum 5 Prozent.

Der steinzeitliche „Islamische Staat“ (IS), so ergänzt der Orientalist Shabo Talay (FU Berlin), bringe mit Massenmorden nur zum Abschluß, was islamisierten Gesellschaften an religiöser Intoleranz immanent sei. Im Irak begannen unmittelbar nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein (2003) Christenverfolgungen durch fanatische muslimische Organisationen, die unzählige Christen ermordeten und Hunderttausende aus dem Land trieben. In Syrien verübten islamistische Brigaden sofort nach Ausbruch des Aufstands gegen das säkulare Assad-Regime (2011) grausame Verbrechen an Christen. Im einst stark von Christen besiedelten syrischen Osten, heute IS-Territorium, blieb ihnen nur die Massenflucht. „Eine Rückkehr in ihre Heimat können sich nur noch wenige vorstellen.“

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