© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/14 - 01/15 / 19. Dezember 2014

Die Buchhalter des Kohlenstoffs
Plantagen und Viehweiden: Weder UN-Projekte noch deutsches Geld scheinen der Amazonasregion zu helfen
Christoph Keller

Das Kürzel REDD steht für das 2007 auf einer UN-Klimakonferenz aus der Taufe gehobene Konzept „Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Walddegradierung“. Klingt nicht nur umständlich, ist auch schwer umsetzbar. Das dokumentiert eine Fallstudie der Biologin Jutta Kill mit bestechender Klarheit (Welt-Sichten, 11/2014).

Die Probleme beginnen bereits bei der Berechnung. Wieviel Kohlenstoff bindet ein Hektar Regenwald? Wieviel CO2-Emissionen werden eingespart, wenn der Wald erhalten bleibt, oder wieviel wird bei der Entwaldung freigesetzt? Da niemand sagen kann, wieviel Tonnen Vegetation auf einem Hektar Waldareal wachsen und wieviel Kohlenstoff in Vegetation und Waldboden durchschnittlich gebunden sind, bleiben nur grobe Schätzungen, deren Werte um 50 Prozent nach oben und unten abweichen.

Auf der Basis solcher „Kohlenstoffbuchhaltung“ honorierte die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bislang mit 19 Millionen Euro den Walderhalt im brasilianischen Bundesstaat Acre, am westlichen Rand des Amazonasbeckens. Ungeachtet ihrer wackligen Kalkulationen vergütete die KfW der Regierung Acres bis Ende 2013 die Vermeidung von 2,47 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalent. Das habe dem Treib­hausgas-Ausstoß von 216.000 Deutschen entsprochen.

Eine nur vordergründig stolze Bilanz, wie Kill meint. Denn allein das Vattenfall-Kohlekraftwerk im brandenburgischen Jänschwalde verursache jährlich 24 Millionen Tonnen CO2. Die KfW-Statistik falle noch kümmerlicher aus, bedenke man, daß die Bank nur fünf Dollar pro rechnerisch eingesparter Tonne CO2 nach Brasilien überweise.

Die Büroräume von Umweltschützern verwüstet

Hier offenbare sich überdies die Achillesferse des gesamten REDD-Programms. Denn mit einer derart geringen Vergütung ließen sich die eigentlichen Treiber tropischer Waldzerstörung, transnational operierende Konzerne, nicht das Wasser abgraben. Bereits legal angelegte Plantagen für Soja oder Palmöl brächten deutlich mehr als fünf Dollar für Waldschutz. Und illegale Waldzerstörung – auf die die Hälfte der Rodungen in Tropenwäldern weltweit zurückgehe – zwecks großflächigen Anbaus von Agrarexportgütern oder Anlage von Viehweiden seien noch einträglicher.

Daher gehe in Acre, unbekümmert um die KfW-Regenwaldschützer, der illegale Holzeinschlag weiter, expandierten die Viehweiden, würden Gegner dieses Raubbaus an der Natur bedroht, wie zuletzt die Menschenrechtsorganisation CIMI (Conselho Indigenista Missionário), der Unbekannte im September das Büro verwüsteten und deren Mitarbeiter seit längerem anonyme Drohungen erhielten. REDD, so resümiert Jutta Kill, tauge gegenwärtig also nur zur Kriminalisierung des von Kleinbauern betriebenen Wanderfeldbaus und ihrer Brandrodungen. An der großflächigen illegalen Waldzerstörung werde dadurch „jedoch nichts geändert“.

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