© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/15 / 02. Januar 2015

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Waren Sie in der Oberschule in Mathematik auch so eine Niete wie ich? Die Welt der Zahlen und Formeln blieb mir meist fremd, insbesondere Teilgebiete wie Infinitesimalrechnung oder Trigonometrie waren für mich häufig einfach nur böhmische Dörfer. Oft stellte ich mir die beliebte Schülerfrage: Wozu brauche ich das später noch? Daß Mathematik uns überall im Alltag begegnet, sie praktisch den ganzen Kosmos durchdringt, wollte mir nicht einleuchten. Kürzlich nun entdeckte ich in einem Prospekt des Züricher Verlages Kein & Aber das Buch „The Joy of x“ des US-Mathematikers Steven Strogatz. Der 55jährige promovierte in Harvard und arbeitet heute als Professor für angewandte Mathematik an der Cornell-Universität in Ithaca, New York. 2010 schrieb er für die New York Times einige Monate lang eine Mathematikkolumne, auf der jetzt auch sein Buch basiert. Ausgezeichnet mit einem Preis für das beste populärwissenschaftliche Sachbuch 2014, will es dem allgemeinen Publikum in sechs Kapiteln „Die Schönheit der Mathematik“ (Untertitel) vermitteln. Die Verlagsankündigung las sich so interessant, daß ich dachte: Warum eigentlich nicht?

Wenn dereinst Nebelschwaden um die Gebeine der Aufständischen wabern, wird niemand mehr da sein, die Totenwache zu halten. Das ist immer noch besser, als dem Joch der Siegreichen ausgeliefert zu sein. (Eigenes, kürzlich beim Aufräumen wieder aufgetauchtes Frühwerk aus der Rubrik Pennäler-Poesie oder Warum ich kein Dichter geworden bin.)

Hätten Sie zum Beispiel geglaubt, daß sich die wechselnden Allianzen im Vorfeld des Ersten Weltkrieges mathematisch beschreiben lassen? Steven Strogatz nimmt dazu negative Zahlen und Beziehungsdreiecke zu Hilfe. Auch die Frage, wie Sie am besten Ihre Matratze drehen und wenden sollten, um die optimale Abnutzung zu gewährleisten, läßt sich mathematisch darstellen. Oder wie viele Frösche Sie küssen müssen, bevor Sie Ihren Prinzen beziehungsweise die richtige Prinzessin finden. Um Schwankungen in Partnerbeziehungen zu erklären, für die „schon so manche liebeskranke Seele Antworten in der Poesie oder im Alkohol gesucht“ (Strogatz) habe, bemüht der US-Professor am Beispiel von Shakespeares Romeo und Julia die Infinitesimalrechnung. Das alles liest sich durchaus amüsant und lehrreich. Bin ich dadurch schlauer geworden? Nun ja. Verlorene Zeit ist die Lektüre sicher nicht gewesen, auch wenn ich zugebe, irgendwann doch gedanklich ausgestiegen zu sein. Wie in der Schule.

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