© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/15 / 16. Januar 2015

Chinesische Kinder lieben deutsche Milch
Grüne Woche: Rußland-Sanktionen gefährden deutsche Lebensmittelexporte / Hormonfleisch durch die amerikanische Hintertür?
Jörg Fischer

Rund neun von zehn Putenfleisch-proben aus deutschen Discountern sind unseren Tests zufolge mit antibiotikaresistenten Keimen belastet“, warnte Hubert Weiger, Chef des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), anläßlich der 80. Internationalen Grünen Woche in Berlin. In den Niederlanden, Dänemark und Frankreich seien die sogenannten Reserveantibiotika in der industriellen Tierhaltung hingegen weitgehend verschwunden, so der BUND. Doch trotz des Antibiotika-Mißbrauchs in der Geflügelmast genießt die deutsche Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie im Ausland weiterhin hohes Ansehen.

Speziell die Milchbranche freut sich über reges Interesse. In China ist die Nachfrage nach deutscher Babynahrung wegen dortiger Lebensmittelskandale so enorm, daß es bereits seit zwei Jahren zu Lieferengpässen kommt. „Liebe Kunden, die Abgabe aller Milchnahrungen kann derzeit nur in haushaltsüblichen Mengen erfolgen“, hieß es beispielsweise an den Regalen der „dm“-Drogeriemärkte. „Unsere Werke arbeiten sieben Tage pro Woche rund um die Uhr im Drei-Schicht-Betrieb“, entschuldigt sich Milupa bei deutschen Verbrauchern, aber „asiatische Privatleute und private Zwischenhändler“ kauften „große Mengen unserer Produkte in den Geschäften, um diese in ihre Heimat zu senden“. Hinzu kommt: Importierte Milchprodukte sind in China drei- bis viermal so teuer wie in Deutschland.

Mehr Hopfen, Bier und Backwaren exportiert

Schon in zwei Jahren wird China zum weltgrößten Markt für Molkereiprodukte aufsteigen, bis 2019 soll sich der dortige Milchmarkt auf 55 Milliarden Euro verdoppeln. Das dürfte den Wegfall der EU-Milchquote zum 31. März und die Folgen des russischen Importembargos für die Agrarbranche abmildern. „Die deutschen Molkereien sondieren bereits andere Märkte mit anderen Produkten“, so die Geschäftsführerin der Export-Union für Milchprodukte, Karin Monke.

Obwohl auch Fleisch, Gemüse und Obst auf der Embargoliste stehen, konnten die „Exportrückgänge durch Steigerungen bei Erzeugnissen wie Hopfen, Bier oder Backwaren zu fast zwei Dritteln ausgeglichen werden“, teilte der bayerische Agrarminister Helmut Brunner anläßlich der Grünen Woche mit. Mehr Sorgen macht dem CSU-Politiker das transatlantische Handelsabkommen (TTIP, JF 3/15). Dabei dürfe es zu keiner Aufweichung der hohen Schutzstandards in Deutschland kommen: „Gentechnik, Klontiere, leistungssteigernde Hormone und der Herkunftsschutz sind rote Linien“, die nicht überschritten werden dürften. Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) hadert mit TTIP: „In Europa und in Deutschland setzen wir keine Hormone ein, und wir wollen auch keine einsetzen“, erklärte DBV-Präsident Joachim Rukwied, aber die in der US-Landwirtschaft verwendeten Wachstumshormone brächten in der Tiermast Kostenvorteile. Ob dann billigeres Hormonfleisch aus Amerika hiesige Produzenten in Bedrängnis bringt, dürfte nicht nur auf der Grünen Woche intensiv diskutiert werden.

Die Internationale Grüne Woche findet vom 16. bis 25. Januar in der Messe Berlin statt: www.gruenewoche.de

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