© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/15 / 16. Januar 2015

„Ich sage: Wacht auf!“
„Charlie Hebdo“: Interview der JF aus dem Jahr 2011
Thorsten Thaler

Der Terroranschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo, bei dem neben zwei Polizisten zehn Mitarbeiter des Blattes ermordet wurden, war der weitaus fürchterlichste, aber nicht der erste auf die Wochenzeitung. Bereits Anfang November 2011 wurde nach der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen ein Brandanschlag auf die Redaktion verübt. Für die JUNGE FREIHEIT führte kurz danach Oliver Renault ein Interview mit dem Chefredakteur Gérard Biard, das am 11. November (JF 46/11) erschien. Wir dokumentieren einen Auszug:

„Diese Leute kennen keine Toleranz“

Herr Biard, Ihre Zeitschrift, die sich besonders durch ihre humoristischen, spöttischen Zeichnungen einen Namen gemacht hat – ähnlich der „Titanic“ in Deutschland –, erschien diese Woche ausnahmsweise unter dem Titel „Charia Hebdo“. Auf dem Titel eine Karikatur des Propheten Mohammed und die Sprechblase: „Hundert Peitschenhiebe, wenn ihr euch nicht totlacht“. Eine Provokation gegenüber Muslimen?

Biard: Das war kein Akt der Provokation, sondern vielmehr eine Reaktion auf die Wahl in Tunesien und die Ankündigung, in Libyen die Scharia einführen zu wollen. Vor allem ging es uns dabei auch um die Kommentare, die in Frankreich zum Scharia-Prinzip zu hören sind.

In welche Richtung gehen diese?

Biard: Man will uns weismachen, daß nicht alles an der Scharia unbedingt schlecht sei, daß es auch sanfte Versionen der Scharia gebe. In Anbetracht dessen haben wir ein Heft über die „sanfte Scharia“ gemacht. Wir fanden das sehr komisch. Wir haben beschlossen, den Propheten Mohammed als Gast-Chefredakteur einzuladen, nach dem Vorbild der Libération, die Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens einlädt, eine Ausgabe zu gestalten.

Doch die Illustrationen der „Charia Hebdo“-Ausgabe zeigen, daß es keine gemäßigte Scharia gibt, sondern lediglich ein strenges und äußerst hartes islamisches Gesetz, das vom demokratischen Gedankengut weit entfernt ist. Ein Alarmruf?

Biard: Ich sage den Franzosen, ich sage Europa und dem Westen insgesamt, aber ich sage auch den Journalisten: Wacht auf! Hört auf, den politischen Islam zu unterstützen. Seid nicht naiv, diese Leute kennen keine Toleranz und bedrohen sogar die Muslime, die ihrer Meinung nach zu moderat sind.

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