© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/15 / 16. Januar 2015

Bereits Kinder mußten Schwerstarbeit leisten
Einzigartige Industriegeschichte: Zur Ausstellung „Das weiße Gold der Kelten“ in Herne über den Salzbergbau im oberösterreichischen Hallstatt
Heiko Urbanzyk

Die Ausstellung über den Salzbergbau im oberösterreichischen Hallstatt im westfälischen Herne entbehrt nicht der Ironie: Während in Hallstatt der Bergbau seit 7.000 Jahren der Hauptwirtschaftsfaktor ist und erst einmal bleiben wird, war der Kohlebergbau in den elf Zechen von Herne nach kaum mehr als hundert Jahren Goldgräberstimmung bereits in den späten Sechzigern weitestgehend am Ende. Vom 900-Einwohner-Dorf 1843 zum 95.000-Einwohner-Industriestandort 1940 – das sind die Erfolgsgeschichten, die eng mit dem Bergbau verbunden sind. Heute erinnern nur noch Straßennamen, Knappenvereine und Denkmäler an den Aufstieg zum Industriezentrum.

Im Landesmuseum für Archäologie in Herne endet nun am 25. Januar die Sonderausstellung „Das weiße Gold der Kelten – Schätze aus dem Salz“. Warum eine Ausstellung über Salzbergbau in Hallstatt? Weil Hallstatt in vielerlei Hinsicht ein einmaliges Zeugnis menschlicher Tat- und Schöpfungskraft ist. Der prähistorische Salzabbau begann vor 7.000 Jahren. Das ist bildlich gesprochen so lange her, daß selbst der urkundlich 1311 erstmals erwähnte historische Abbau mit geschichtlichen Zeugnissen konfrontiert wurde, die seinerzeit einmalig erschienen.

Schwere Unglücke in den Gruben

1734 entdeckten Bergleute zum Beispiel den „Mann im Salz“, einen toten Grubenmann, der nach eingehender Untersuchung im selben Jahr auf dem Hallstätter Friedhof beigesetzt wurde – und damit für die Forschung für immer verloren war. Präzise Aufzeichnungen aus dieser Zeit ließen in der modernen Forschung die Ansicht reifen, daß der Tote aus der Hallstattzeit stammte, also aus dem 9. bis 4. Jahrhundert v. Chr. Bestialischer Gestank, den Augenzeugen schilderten, legt nahe, daß in der Grube mehrere Tote lagen. Eine Bildschirmanimation zeigt, wie die Bergung 1734 ausgesehen haben könnte.

Verschüttungen unterbrechen den Salzabbau in Hallstatt immer wieder. Schwere Unglücke in den Gruben sind für die Bronzezeit um 1245 v. Chr. und die Hallstattzeit 400 Jahre später erwiesen sowie für das 4. Jahrhundert v. Chr. Doch stets erfolgt der Neubeginn. Ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. nehmen die Kelten den Abbau des weißen Goldes wieder auf. Eine kurze Filmanimation rekonstruiert für Besucher den Vorgang eines Stollenzusammensturzes infolge von Erdrutschen am oberirdischen Hang.

Forschungen belegen, daß das Leben nicht nur durch Grubenunglücke beschwerlich war. Das Gräberfeld von Hallstatt, das den Namen der Hallstattzeit prägte, förderte weit über tausend frühere Bewohner zutage. Untersuchungen der Skelette erlauben eine geschlechter- und altersspezifische Rekonstruktion einer hochgradig organisierten und arbeitsteiligen Gesellschaft. Bereits Kinder im Alter von acht Jahren weisen Erkrankungen durch Schwerstarbeit auf. Die Mangelerscheinungen und Defekte der Kleinen seien derart gravierend, so heißt es auf der Ausstellungstafel, daß sie mit heutigen Krebskranken vergleichbar sind.

Weltweit einzigartige Werkzeuge und Abbautechniken sicherten Hallstatts Salzmonopol. Holzstiegen unter Tage waren gleichzeitig in beide Richtungen begehbar und hatten verstellbare Stufen für jedes Gefälle. Die Nachbauten von Werkzeugen stellen die klassische ebenso wie die experimentelle Archäologie vor ungelöste Rätsel. Wie konnte mit den merkwürdig spitzwinkeligen Pickeln überhaupt Salz gehauen werden?

Bis heute konnte kein einziges „Salzherz“ am Stück gehauen werden, wie es damals üblich war. Zahlreiche Exponate sind eindeutig Werkzeuge, aber von gänzlich unbekannter Funktion. Nur sechzig Kilometer entfernt entstand 650 v. Chr. der Salzbergbau in Hallein. Trotz jahrhundertelangem Nebeneinander gibt es keinerlei Gemeinsamkeiten bei Werkzeugen und Abbaumethoden. Und waren die Hallstätter wirklich reich? Auffällig wenig Gold läßt sich in ihren Hinterlassenschaften finden, dafür um so mehr Importware aus Afrika, Asien und Osteuropa.

Die 250 Ausstellungsstücke des Nationalhistorischen Museums Wien sind teilweise zum erstenmal in der Bundesrepublik zu sehen. Exponate, Geräusche, Animationen und Düfte regen alle Sinne der Besucher an.

Die Ausstellung „Das weiße Gold der Kelten“ ist noch bis zum 25. Januar im LWL-Museum für Archäologie in Herne, Europaplatz 1, täglich außer montags von 9 bis 17 Uhr, Do. bis 19 Uhr, Sa./So. 11 bis 18 Uhr, zu sehen. Telefon: 023 23 / 9 46 28-0

www.kelten-ausstellung.lwl.org

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