© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/15 / 23. Januar 2015

„Wir lassen uns nicht mundtot machen“
Islamistischer Terror: Die Absage der Dresdner Pegida-Demonstration ist der Höhepunkt der neu entfachten Sicherheitsdebatte
Christian Schreiber

Noch am Tag nach dem vorläufigen Aus der Dresdner Pegida-Demonstration wirkte Organisator Lutz Bachmann angeschlagen. Gemeinsam mit der Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel trat er am Montag in Dresden vor die Presse, um über die Zukunft von Pegida nach dem wegen einer Terrordrohung für Montag über Dresden verhängten Versammlungsverbot zu informieren. Die Botschaft: Es soll, sobald es die Sicherheitslage zuläßt, weitergehen. „Die Absage unserer Veranstaltung bedeutet nicht, daß wir uns mundtot machen und das Recht auf Versammlung und Meinungsfreiheit nehmen lassen“, sagte Oertel.

Die erzwungene Absage der Pegida-Demonstration war der Höhepunkt der durch die Anschläge islamischer Fundamentalisten in Paris und den Antiterror-Einsatz in Belgien ausgelösten Debatte über die innere Sicherheit in Deutschland. Die Bundesregierung plant, gewaltbereiten Islamisten den Personalausweis zu entziehen, um eine Ausreise nach Syrien oder Ägypten über die Türkei zu verhindern. Innenminister Thomas de Maizière hat erneut die Einführung der Vorratsdatenspeicherung ins Gespräch gebracht, andere fordern dagegen eine Politik mit Augenmaß und ohne Hysterie.

Fakt ist: Die Kampfgebiete in Syrien und dem Irak ziehen seit Jahren radikale Islamisten aus Deutschland und anderen europäischen Staaten an. Rund 600 Personen aus der Szene sind bereits in die Region aufgebrochen. Dem Verfassungsschutz bereitet die Entwicklung seit langem Sorgen. Leider habe sich der besorgniserregende Trend der vergangenen Monate fortgesetzt, sagte Behördenchef Hans-Georg Maaßen der Deutschen Presse-Agentur. Die aktuelle Zahl sei ein neuer Höchststand. Und die 600 sind nur die bekannten Fälle. Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen.

Den Behörden ist bereits seit längerem gestattet, verdächtigen Terroranhängern, bei denen sie eine Ausreise vermuten, den Reisepaß einzuziehen. Der Bundesregierung sind allerdings mindestens 20 Fälle bekannt, in denen Islamisten das Land verließen, obwohl ihnen die Behörden das offiziell untersagt und den Paß abgenommen hatten. Für Aufsehen sorgte unlängst ein Fall aus Hessen, wo es einem Terrorverdächtigen trotz elektronischer Fußfessel gelang, auszureisen. Generell ist der Entzug des Personalausweises kein probates Mittel. Um nach Syrien oder in den Irak zu kommen, brauchen angehende Dschihadisten keinen Paß. Sie können mit ihrem Personalausweis problemlos in die Türkei reisen und von dort unbemerkt über die Grenze ziehen. Auf dem Personalausweis ist ein Ausreiseverbot bislang auch nicht vermerkt.

Die Bundesregierung plant nun, Terroranhängern nicht nur den Paß, sondern auch den Personalausweis zu entziehen. Auf dem Ersatzausweis, den Betroffene dann bekommen, soll vermerkt werden, daß sie Deutschland nicht verlassen dürfen.

Oppositionsparteien wie die Linke oder die Grünen finden dies unverhältnismäßig. Die auf Verdacht hin ausgestellten „Terroristenausweise“ seien stigmatisierend, sagte der Linke-Innenexperte Jan Korte: „ Den Personalausweis braucht man bei vielen privaten Gelegenheiten. Und den Paketshop oder Handyladen gehe es gar nichts an, daß Behörden jemanden verdächtigten. Die Wirksamkeit ist ohnehin höchst fraglich“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic sieht dies ähnlich. Die Probleme löse der „Terroristen-Perso“ sicher nicht. Im Gegenteil: „Es besteht die Gefahr, daß mutmaßliche Terroristen, die zur Abgabe ihres alten Personalausweises aufgefordert werden, ihre düsteren Pläne sofort umsetzen“, sagte sie dem Deutschlandfunk.

Und auch zwischen CSU und SPD verschärfte sich der Ton in den vergangenen Tagen. In Windeseile haben die bayerischen Christsozialen einen Maßnahmenkatalog zusammengestellt und Justizminister Heiko Maas (SPD) kritisiert, der ihrer Ansicht nach zu zögerlich bei Gesetzesvorhaben vorgehe. Die CSU fordert, die Verfolgung von „Gotteskriegern“ nachhaltiger zu ermöglichen. Sympathiewerbung und das Verbreiten von Terror-Propaganda müßten einfacher bestraft werden können, die Ausreise von Dschihadisten verhindert, Terror-Sympathisanten mit Doppelpaß die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden. Der Verfassungsschutz soll nach ihrem Willen in die Lage versetzt werden, Unterhaltungen über verschlüsselte Skype-Verbindungen zu überwachen und die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. „Wollen wir wirklich die Daten von Terroristen und Kriminellen schützen? Oder wollen wir die Bürger in Deutschland schützen?“ fragte CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl.

Vor allem die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung ist geeignet, den Koalitionsfrieden zu beeinträchtigen. Der Begriff steht für die systematische Speicherung von Telefon- und Internetdaten der Bürger. Der Europäische Gerichtshof hatte eine Regelung in der EU 2014 jedoch gekippt. In Deutschland hatte das Bundesverfassungsgericht bereits 2010 eine vergleichbare Regelung gestoppt. Ob es einen neuen Anlauf geben sollte, ist seitdem umstritten.

Foto: Pegida-Organisatoren Bachmann und Oertel auf der Pressekonferenz am Montag: Zwischen Augenmaß und Hysterie

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