© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/15 / 23. Januar 2015

Ein bißchen Frieden
AfD: Der Kompromiß des Bundesvorstandes im Streit um die künftige Führungsstruktur verschafft der Partei eine Verschnaufpause bis zum Parteitag in Bremen
Marcus Schmidt

Die AfD-Basis macht schon seit Wochen mobil. Rund 3.000 Mitglieder haben sich nach Angaben von Pressesprecher Christian Lüth für den Parteitag in Bremen in der kommenden Woche angemeldet. Dieser Ansturm ist auch den Gegnern der Partei nicht verborgen geblieben.

In einem Schreiben an die Mitglieder wies die AfD-Führung Anfang der Woche vorsorglich darauf hin, daß in Bremen eine Gegendemonstration mit 5.000 Teilnehmern angemeldet wurde. Darunter seien vermutlich auch „Vertreter der sogenannten linksautonomen Szene“, befürchtet die Parteiführung und warnt: „Falls Sie beabsichtigen, Ihr Auto in Bremen zu benutzen und in der Nähe des Tagungsortes zu parken, sollten Sie dies berücksichtigen (Stichwort: sichtbare politische Aufkleber).“ Doch auch ohne randalierende Linksextremisten dürfte den AfD-Mitgliedern in Bremen einiges geboten werden. Denn auch nach der überraschenden Einigung des Bundesvorstandes auf einen Kompromiß im Streit um die zukünftige Führungsstruktur sorgt das Thema unter den Mitgliedern für hitzige Diskussionen.

Gerüchte über drohende Massenaustritte

Auf einer Sitzung des Vorstandes am Freitag vergangener Woche hatten sich die Kontrahenten auf ein Zwei-Stufen-Modell geeinigt. Dieses sieht vor, daß die derzeitige Spitze aus drei gleichberechtigten Sprechern zunächst durch eine Doppelspitze abgelöst wird. „Die beiden Bundessprecher werden in getrennten Wahlgängen gewählt. Der zuerst gewählte Bundessprecher hat das Recht, dem Bundesparteitag einen Generalsekretär zur Wahl vorzuschlagen“, heißt es dazu in dem Papier. Ab 1. Dezember soll schließlich ein Vorsitzender allein die Geschicke der AfD leiten. Beobachter werten die Einigung als Sieg Bernd Luckes. Andere verweisen dagegen darauf, daß der Kompromißvorschlag erst noch in Bremen mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden muß und sprechen von einem Burgfrieden bis zum Parteitag.

Die Parteiführung ist sich der Brisanz der Situation bewußt. „Die neue Führungsstruktur soll eine effizientere und professionellere Arbeit ermöglichen und stellt somit einen richtungsweisenden Schritt für die Zukunft der Partei dar“, werben die AfD-Sprecher Konrad Adam, Bernd Lucke und Frauke Petry für den Kompromiß. „Dem Parteitag kommt in dieser Kernfrage die bedeutende Aufgabe zu, die Weichen verantwortungsbewußt zu stellen“, appellieren sie an ihre streitlustige Basis. Denn trotz der (vorläufigen) Einigung im Führungsstreit ist die hinter dieser Auseinandersetzung stehende Debatte über den künftigen Kurs der Partei längst noch nicht entschieden. Schon wird in beiden Lagern über drohende Austrittswellen spekuliert. Während die einen befürchten, es könnte zu einem Exodus des liberalen Flügels kommen, sollte sich Lucke doch nicht durchsetzen, sehen andere Massenaustritte kommen, sollte der nationalkonservative Flügel nach einem Sieg Luckes kaltgestellt werden.

Für Unruhe sorgte unterdessen am Wochenende ein siebenseitiger Artikel über die AfD im Spiegel. Dabei war weniger die These der Autoren brisant, die glauben nachweisen zu können, daß Lucke von Anfang an „auf Stimmen am rechten Rand“ gesetzt habe, als vielmehr die Quelle für diese Informationen. Nach Angaben des Spiegel konnte das Magazin in den vergangenen Wochen über 3.000 Mails einsehen, die zwischen den Mitgliedern der AfD-Spitze seit der Parteigründung im Februar 2013 bis Januar 2015 hin- und hergegangen sind. In der Partei wird nun gefragt: Woher stammen diese Mails? Und wer hat den Spiegel-Journalisten Zugang zu diesen vertraulichen Informationen verschafft?

In der Bundesgeschäftsstelle der AfD wird nun nach dem Sicherheitsleck gesucht. „Wir stehen erst am Anfang der Untersuchung“, sagte Lüth der JUNGEN FREIHEIT. Für die AfD ist es nicht das erste Datenleck. Im Oktober vergangenen Jahres war bekanntgeworden, daß Unbekannte offenbar über Monate Zugang zum internen E-Mail-System der Partei hatten. Möglich war dies vermutlich über ein Sicherheitsleck in der Verschlüsselungssoftware.

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