© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/15 / 23. Januar 2015

Am Bundestag vorbei
Bundesverfassungsgericht: Karlsruhe verhandelt über Evakuierungsaktion in Libyen
Taras Maygutiak

Muß der Bundestag bei jeder Operation von Bundeswehrsoldaten im Ausland zustimmen oder kann die Bundesregierung auch eigenmächtig Soldaten losschicken? Diese Frage liegt seit knapp dreieinhalb Jahren zur Klärung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Am kommenden Mittwoch wird der Zweite Senat die Angelegenheit verhandeln.

Geklagt hat die Bundestagsfraktion der Grünen. Sie moniert den Libyen-Einsatz Ende Februar 2011. Die Unruhen im sogenannten arabischen Frühling waren seinerzeit in Ägypten und Tunesien in vollem Gange, als Mitte Februar auch in Libyen ein bewaffneter Aufstand gegen den Machthaber Muammar al-Gaddafi ausbrach. In Berlin wurde am 20. Februar ein ressortübergreifender Krisenstab gebildet, der einen Einsatzverband für militärische Evakuierungsoperationen zusammenstellte. Die an der Operation „Pegasus“ beteiligten rund 1.000 Soldaten sollten, falls notwendig, isolierte oder bedrohte deutsche Staatsbürger aus Libyen evakuieren.

Am 24. Februar 2011 fiel sowohl im Auswärtigen Amt als auch im Verteidigungsministerium die Entscheidung, die Stein des Anstoßes ist. Es ging darum, Mitarbeiter einer deutschen Firma von der Bundeswehr aus dem in der Nähe eines Ölfeldes gelegenen Wüstenort Nafurah im Osten Libyens ausfliegen zu lassen. Zwei Tage später machten sich zwei Transall-Maschinen mit Fallschirmjägern an Bord auf den Weg. Ohne Zwischenfälle wurden 132 Personen, darunter 22 Deutsche, in Nafurah aufgenommen und nach Chania in Kreta ausgeflogen. Zu weiteren Evakuierungsoperationen der Bundeswehr kam es in Libyen nicht.

Mehrmals forderten die Grünen die Bundesregierung auf, wenigstens nachträglich ein Bundestagsmandat für den Einsatz einzuholen. Der damalige Außenminister Guido Westerwelle (FDP) ließ die Grünen wissen, daß es sich nicht um einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Sinne des Parlamentsbeteiligungsgesetzes gehandelt habe, weil keine Einbeziehung der deutschen Soldaten in bewaffnete Unternehmungen zu erwarten gewesen sei. Die bloße Möglichkeit, daß es bei einem Einsatz zu bewaffneten Auseinandersetzungen komme, führe nicht zur parlamentarischen Zustimmungsbedürftigkeit eines Auslandseinsatzes, berief man sich im Auswärtigen Amt auf die Rechtsprechung Karlsruhes. Die Antragsteller in Karlsruhe wollen vom höchsten Gericht festgestellt wissen, daß das Beteiligungsrecht in Form des Parlamentsvorbehalts durch die Bundesregierung verletzt wurde. Bei dem Einsatz sei es gerade auf die Möglichkeit einer Anwendung militärischer Gewalt angekommen, argumentieren die Grünen. Die Bundesregierung spricht dagegen lediglich von „flankierenden Maßnahmen der Gefahrenvorsorge, die dem humanitären Einsatz kein militärisches Gepräge verliehen haben“.

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