© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/15 / 23. Januar 2015

Sanofi, Globalisierung und französische Standortprobleme
Heimatlos
Thomas Kirchner

In ihrer Funktion als Staatssekretärin für Außenhandel reiste Fleur Pellerin um die Welt und versuchte verzweifelt, Investoren für Frankreich zu begeistern. Die Lohnstückkosten wären doch sogar niedriger als in Deutschland! Trotz all ihrer hübschen Statistiken erntete die Sozialistin nur Schulterzucken. Niemand glaubt ernsthaft, daß die Probleme Frankreichs als Standort durch niedrige Lohnstückkosten oder andere vorteilhafte Statistiken wettgemacht werden können.

Eine Lektion in Sachen Standortproblem erteilte kürzlich der französische Pharmakonzern Sanofi. Moment, französischer Konzern? Mit dem Deutsch-Kanadier Christopher Viehbacher mit Wohnsitz Boston an der Spitze, drei Vierteln des Umsatzes außerhalb Westeuropas, einem Drittel des Vorstands dauerhaft in den USA, internationalen Mitarbeitern durch Übernahme der deutschen Hoechst AG und des amerikanischen Biotechnologiekonzerns Genzyme sowie nur 35 Prozent der Aktien in Hand französischer Anleger definiert der Ort des Handelsregistereintrags nicht wirklich die Nationalität.

Trotzdem wurde Viehbacher vom Aufsichtsrat seines Amtes enthoben, wohl weil er nicht französisch genug war und Sanofi noch mehr internationalisierte, als es das ohnehin schon ist. Sein finales Vergehen: ein Wohnsitzwechsel von Paris nach Boston, wo die Wachstumssparte des Unternehmens beheimatet ist, Genzyme. Wie unattraktiv Frankreich inzwischen ist, verdeutlichte Sanofis Aufsichtsratschef Serge Weinberg anläßlich Viehbachers Entlassung: der nächste Vorstandsvorsitzende solle zwar in in Paris sitzen. Doch angesichts der hohen Steuern dort ist es bislang schwierig, qualifizierte Ersatzkandidaten zu finden: „Es ist klar, daß Frankreich, wie Sie sich denken können, wahrscheinlich nicht der konkurrenzfähigste Standort der Welt ist“, klagte er genüber der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Die französische Regierung will sich bei der Ernennung des neuen Vorstandschefs angeblich nicht einmischen, um ein wirtschaftsfreundliches Image zu verbreiten. Das ist eine nette Geste. Doch es ist illusorisch zu glauben, daß sich die Wahrnehmung Frankreichs als planwirtschaftliches Fiasko nur ein paar Monate nach der Einmischung der Regierung in die Übernahmegespräche von Alstom mit Siemens und dem US-Konzern General Electric über Nacht ändern wird.

Noch vor zwei Jahren kritisierte der linkslastige damalige Industrieminister Arnaud Montebourg die von Viehbacher initiierten Entlassungen bei Sanofi. Und nach der nächsten Kabinettsumbildung ist eine Rückkehr zu solchen Gepflogenheiten zu befürchten. Viehbachers Abgang dient nicht gerade der Entkräftung alter Vorbehalte. Wenn der Ruf erst einmal ruiniert ist braucht man nicht starke Parolen, sondern mindestens ein Jahrzehnt und einen radikalen Reformer vom Format einer Maggie Thatcher, um die Wirtschaft wieder in Fahrt zu bekommen.

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