© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/15 / 23. Januar 2015

Harter Franken, weicher Euro
Geldpolitik: Die Schweiz gibt Mindestkurs auf / Deutsche Vermögen schlagartig um ein Fünftel abgewertet
Jörg Fischer

In Konstanz sind Parkplätze rar und Staus alltäglich. Doch daran ist ausnahmsweise mal nicht die autofeindliche Politik der grün-roten Landesregierung schuld – es sind vor allem Pkw mit schweizerischem Nummernschild, die in der 80.000-Einwohner-Stadt am Bodensee einen Stellplatz suchen. Und die 14 Euro Parkgebühr pro Tag schrecken die Eidgenossen seit voriger Woche noch weniger von ihren Einkaufstouren ab, denn Deutschland ist für Franken-Besitzer zum Billigparadies mutiert.

Auslöser des Kaufkraftzuwachses ist eine wahrlich alternativlose Wende der Schweizerischen Nationalbank (SNB): Am 15. Januar korrigierten die Zürcher Zentralbanker ihren Beschluß vom 6. September 2011, den Wert des Franken gegenüber dem schwindsüchtigen Euro künstlich niedrig zu halten (JF 3/15). Die SNB-Untergrenze von 1,20 Franken pro Euro fiel, der Wechselkurs wurde nach 40 Monaten wieder den Marktkräften überlassen. Prompt sackte der Euro auf unter 0,88 Franken ab. Danach erholte sich der Euro zwar kurzzeitig auf 1,02 Franken. Am Montag lag der Kurs bei nur noch knapp über einen Franken.

„Die Unterschiede in der geldpolitischen Ausrichtung der bedeutenden Währungsräume haben sich in letzter Zeit markant verstärkt und dürften sich noch weiter akzentuieren“, erläuterte die SNB ihren Schritt. „Der Euro hat sich gegenüber dem US-Dollar deutlich abgewertet, wodurch sich auch der Franken zum US-Dollar abgeschwächt hat. Vor diesem Hintergrund ist die Nationalbank zum Schluß gekommen, daß die Durchsetzung und die Aufrechterhaltung des Euro-Franken-Mindestkurses nicht mehr gerechtfertigt sind“, so SNB-Chef Thomas Jordan.

Euro-Aufkäufe waren nicht mehr länger durchzuhalten

Die Entscheidung, den Mindestkurs „per sofort aufzuheben und ihn nicht mehr mit Devisenkäufen durchzusetzen“, hat viele Experten überrascht. Doch die zig milliardenschweren Euro-Aufkäufe durch die SNB waren nicht länger durchzuhalten und in der Schweiz umstritten. „Ohne die Anbindung würde der Euro heute nicht 1,21 Franken, sondern eher einen Franken kosten. Das ist ein realistischer Wert“, warnte schon vor vier Monaten der frühere Chef der Schweizer Großbank UBS, Oswald Grübel, in der Weltwoche. „Indem die Schweiz den Euro durch die Anbindung künstlich stützt und den Franken schwächt, wird unsere Währung, und damit all unsere Vermögen, um ein Fünftel abgewertet.“

Seit vorigen Donnerstag sind die Verhältnisse wieder im Lot: Franken-Guthaben wurden schlagartig um zwanzig Prozent auf- und Euro-Konten entsprechend abgewertet. Daß die eidgenössische Export- und Tourismuswirtschaft jammert, ist verständlich. Doch sie hatte drei Jahre Zeit, sich auf die unausweichliche Situation einzustellen. Und deutschen Sparern führt die Aufhebung des Mindestkurses erneut vor Augen, was sie mit dem Wechsel von der D-Mark zum Euro verloren haben: In den zwei Jahrzehnten vor der Europäischen Währungsunion (EWU) schwankte der Kurs zwischen den beiden Hartwährungen nur mäßig. Ein Franken kostete zwischen 1,08 und 1,21 D-Mark. Zum österreichischen Schilling oder niederländischen Gulden – den Kernländern des D-Mark-Blockes – war die Schwankungsbreite noch geringer.

Dollar und Pfund hingegen werteten kontinuierlich ab: Bei Aufhebung der festen Wechselkurse 1970 kostete ein Greenback 3,65 D-Mark, ein Pfund Sterling 8,74 D-Mark. 1998, im letzten Jahr vor Festlegung des Euro-Umstellungskurses, war ein Dollar schon für 1,75 D-Mark (umgerechnet 0,89 Euro) zu haben, das Pfund für 2,91 D-Mark (1,49 Euro). Mit dem Euro endete die D-Mark-Aufwertung, die der frühere SPD-Minister Karl Schiller treffend als eine von allen arbeitenden Deutschen für alle Deutschen erwirtschaftete „Sozialdividende“ bezeichnete. Zu Wochenbeginn notierte ein Dollar bei 0,86 Euro, das Pfund bei 1,31 Euro.

Hätte die Deutsche Bundesbank – wie die SNB – noch die nationale Währungshoheit, würde sich ein ganz anderes Bild ergeben. Beide Notenbanken haben langfristig immer das Ziel einer relativen Währungsstabilität verfolgt. Mit der EWU folgte jedoch eine Zäsur: Aus anfangs 1,60 Franken wurden nun weniger als ein Franken pro Euro – das entspricht einer Abwertung von 37 Prozent. Selbst gegenüber der Tschechischen Krone gab es eine Abwertung um 25 Prozent. Vergleichen läßt sich der Euro hingegen gut mit dem thailändischen Baht: Trotz teilweise heftiger Kursausschläge stehen Thailänder seit Einführung der EWU kaum schlechter da als Euro-Sparer.

Deutsche Sparer bezahlen für Gewinne der Exporteure

Für wen hat sich der Wechsel zum Euro aber gelohnt? Devisentechnisch betrachtet beispielsweise für Lira-Besitzer. So mußten Italiener Anfang der siebziger Jahre weniger als 200 Lire für eine D-Mark hinblättern. Kurz vor der Euro-Einführung waren es etwa 1.000 Lire. Durch die Währungsunion ist ein „italienischer“ nun genausoviel Wert wie ein „deutscher“ Euro.

Problematischer sind die aus der Euro-Abwertung resultierenden Gewinne deutscher Exportunternehmen. Sie werden faktisch von allen – von D-Mark- zu Euro-Sparern mutierten – Deutschen bezahlt, und kaum jemand scheint dagegen aufzubegehren. Viele Importe und Auslandsreisen würden in D-Mark um mehr als ein Drittel billiger sein. Hinzu kommt, daß ein Großteil der Exporte in die südliche Euro-Zone kreditfinanziert war. Aber durch die Euro-Rettungsmaßnahmen haben die Gläubiger gewechselt: Private Finanzinvestoren und Banken konnten sich rechtzeitig zurückziehen. Der deutsche Steuerzahler muß nun dafür geradestehen. Allein im Fall Griechenland stehen 50 bis 60 Milliarden Euro im Feuer. Solche Summen lassen kaufkräftige Schweizer leider nicht in deutschen Geschäften und Hotels.

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