© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/15 / 23. Januar 2015

Zeitschriftenkritik: Schlesien heute
Deutsch-polnisches Miteinander
Werner Olles

Das zu kommunistischer Zeit ruinierte Schlesien ist längst wieder eine prosperierende Region an der alten Via Regia geworden, eine Wachstumslokomotive für Polen und die unter ökonomischen und sozialen Problemen ächzende Europäische Union. „Einer internationalen Öffentlichkeit wird dies in den kommenden Monaten bewußt werden, wenn sich die schöne alte und doch ewig junge Oder-Metropole Breslau als Europas Kulturhauptstadt 2016 inszeniert“, schreibt Alfred Theisen, Chefredakteur von Schlesien heute, des monatlich erscheinenden unabhängigen Magazins für Nieder- und Oberschlesien, in der aktuellen Ausgabe (1/2015). Hinzu kommen weitere Veranstaltungen im kommenden Jahr, wie das Deutschlandtreffen der Schlesier im Juni in Hannover, das V. Kulturfestival der deutschen Minderheit in Breslau im September und zahlreiche regionale sowie kirchliche Veranstaltungen am ersten Juni-Wochenende wie die Wallfahrt der Minderheiten am Sankt Annaberg in Oberschlesien, die längst zu einem großen Treffen der Oberschlesier aus West und Ost in der Heimat geworden ist. Geplant ist Anfang August auch ein „Schlesisches Kulturfestival“ auf dem Gut am Berzdorfer See bei Görlitz.

Das 70 Seiten umfangreiche und reich bebilderte Heft versammelt vor allem Beiträge zu historischen, kulturellen und touristischen Sehenswürdigkeiten, von denen es in Schlesien eine wahre Fülle gibt. So berichtet ein Beitrag über die kunstgeschichtliche Bedeutung des Wohnturms in Boberröhrsdorf, einer mittelalterlichen Anlage wenige Kilometer nordwestlich von Hirschberg gelegen. 1305 erstmals erwähnt, ist vor allem die Innenausstattung mit der erhalten gebliebenen Wandmalerei ein überzeugendes Argument, die Boberröhrsdorfer Kostbarkeiten als vorrangiges Besuchsziel in Niederschlesien anzuführen. Die Malereien erwecken den Eindruck farbig gewebter, alter Wandteppiche und stellen mit ihren Szenen aus der Artuslegende das einzige mittelalterliche Kunstwerk dar, das mit Lancelot einen Ritter der Tafelrunde zeigt.

Die 1927 in wohlhabender Familie des schlesischen Gutsbesitzers Hans-Christoph von Wietersheim-Kramsta geborene Adelige Melitta Sallai mußte beim Näherrücken der sowjetischen Front 1945 mit ihrer Mutter das Gut in Muhrau bei Striegau verlassen und sich auf den Weg ins Kleine Walsertal machen, wo die Familie ein Alpenhäuschen erworben hatte. Nach einer längeren Zwischenstation in der portugiesischen Kolonie Angola kehrte Melitta mit ihrem Ehemann, einem Plantagenbesitzer, nach Deutschland zurück. 1990 gründete sie gemeinsam mit ihrer Schwester in Muhrau einen Kindergarten, der die Hälfte des mittlerweile gekauften Schlosses einnimmt, während in den anderen Räumen Studenten und Gymnasiasten aus Breslau, Berlin und München an Seminaren teilnehmen. Auch Melitta Sallai hat im liebevoll renovierten Schloß ihre Privaträume. 1999 wurde ihr die polnische Ehrenstaatsbürgerschaft verliehen. Bis heute engagiert sie sich für ein neues deutsch-polnisches Miteinander.

Kontakt: Senfkorn-Verlag. Brüderstr. 13, 02826 Görlitz, Telefon: 0 35 81 / 40 20 21. Das Einzelheft kostet 3,50 Euro. www.schlesien-heute.de

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