© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/15 / 23. Januar 2015

CD-Kritik: Sprechbohrer
Stimmartisten
Sebastian Hennig

Der Merzkünstler Kurt Schwitters (1887–1948) war ein Sonderfall des Dadaismus. Die äußere Erscheinung war von bürgerlicher Biederkeit. Gruppenzwängen ging er stets aus dem Weg. Seine Experimente zielten auf Poesie statt auf Formzerstörung. Der Dadaist Richard Hülsenbeck erregte sich über dieses „Genie im Bratenrock“, diffamierte ihn als „abstrakten Spitzweg“ und „Kaspar David Friedrich der dadaistischen Revolution“.

Das Trio Sprechbohrer hat fast fünfzig seiner Lautgedichte aufgenommen. „Rauf, runter, rauf, Pünktchen drauf“ so geht das „i-Gedicht“. „De des nn nn rrrr“ verweist auf Dresden, an dessen Kunstakademie er studierte. Die Stimmen sind Instrumente, aber solche des Internet-Zeitalters, keine der historischen Aufführungspraxis.1932 hat Schwitters selbst einmal ins Mikrophon gesprochen. Bei aller Heiterkeit ist seine Stimme da schwermütig grundiert. Mit Professionalität putzten die „Sprechbohrer“ solche Widersprüche aus. Zudem wirkt es so, als müßten sie jeden Augenblick losprusten über das, was sie tun. Das hochmoderne Tonstudio klingt mit. Der „Ursonate“ Vierter Teil hat eine beschwingte Motorik, wie das „Perpetuum Mobile“ der Comedian Harmonists oder „Le chant des oiseaux“ von Clément Janequin. Diese sportliche Seite bewältigen die Stimmartisten freilich äußerst präzise.

Sprechbohrer Kurt Schwitters Ursonate und andere konsequente Dichtung www.wergo.de

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