© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/15 / 30. Januar 2015

Am Ende war alles ganz anders
Dresden II: Kein Rechtsextremist, sondern ein Mitbewohner hat den Asylbewerber Khaled Idris Bahray erstochen
Paul Leonhard

Der Tod des 20 Jahre alten Khaled Idris Bahray ist neun Tage nach Auffinden seiner Leiche aufgeklärt. Der Asylbewerber aus Eritrea wurde von einem Landsmann erstochen. Das Motiv war nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein „Streit über die Haushaltsführung“ in der Vierraumwohnung in Dresden. Zeitungen berichten dagegen von einer Tat aus Eifersucht. Im Hof des Plattenbaus soll der geständige 26jährige seinen Mitbewohner mit Messerstichen in den Hals getötet haben. Die Tatwaffe ist sichergestellt. Nach Berichten von Spiegel Online wurden im Körper des Toten erhebliche Mengen Drogen gefunden.

Damit sind viele Medien wieder einmal blamiert. Diese hatten wie einst im Fall der sächsischen Kommune Sebnitz, wo angeblich Neonazis ein irakisches Kind im Schwimmbad ertränkten, für den gewaltsamen Tod des Afrikaners eine ganze Stadt in Haftung genommen. „Wir sehen den Haß in den Augen der Menschen hier“, titelte am 16. Januar die Süddeutsche Zeitung mit Blick auf Dresden. „Für Dresden ist der Mordfall Khaled I. ein Worst-Case-Szenario“, schrieb das Blatt weiter. Unverhohlen wurde auf die mehr als 25.000 Menschen verwiesen, die im Stadtzentrum gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ demonstrierten.

Ein paar Tage später veröffentlichte die Dresdner Morgenpost einen offenen Brief der Mitbewohner des Toten an die Verantwortlichen von Stadt, Polizei und Politik, in dem es unter anderem hieß: „Wir sind freundlich, friedlich und offenherzig. Würdet ihr Kontakt zu uns suchen, würdet ihr das merken. Aber ihr gebt euch keine Mühe. Wir wollen nicht mehr wie Tiere behandelt werden. Wir brauchen Frieden.“ Täglich habe man es mit Anfeindungen, Aggressionen und tätlichen Angriffen zu tun. Die Leser des Boulevardblattes dürften sich verwundert die Augen gerieben haben: In ihrer Stadt werden Asylbewerber wie Tiere behandelt? Außerdem zitierte die Zeitung einen Mitbewohner des Ermordeten. „Dresden ist eine aggressive Stadt“, soll der 27 Jahre alte Tesfalem den Reportern gesagt haben. Unklar ist, wieviel in dem Schreiben von den Asylbewerbern so formuliert wurde und wieviel von ihren deutschen Betreuern. Denn nur einer der sieben spricht etwas Englisch, die anderen lediglich Tigrinya und Arabisch. Es wurde von Klingelterror und Hakenkreuzen berichtet, die Unbekannte an die Tür der acht Asylbewerber geschmiert hätten. Warum die Arbeiterwohlfahrt, die die Flüchtlinge betreut, diese Schmierereien nicht dokumentiert und den Staatsschutz eingeschaltet hat, ist unklar.

Auf den in Dresden, Berlin, Potsdam und Leipzig veranstalteten Gedenkveranstaltungen für den Ermordeten wurde offen behauptet, daß dessen Tod rassistische Hintergründe habe. Pegida habe dem Rassismus öffentlichen Raum gegeben, sagte Ali Moradi, Vorsitzender des Sächsischen Flüchtlingsrates. Die sächsische Landeshauptstadt sei zum „Kristallisationspunkt von Fremdenfeindlichkeit“ geworden. Später stellte sich heraus, daß unter den 2.700 Demonstranten, die sich am Trauermarsch in Dresden unter dem Motto „Im Gedenken an Khaled I. – das Problem heißt Rassismus“ beteiligten und mehr Sicherheit für Migranten forderten, auch der Mörder war.

Volker Beck beklagt „Ermittlungspannen“

Speziell im Mittelpunkt der medialen Verunglimpfungen steht noch immer die Polizei. Obwohl diese, wie auch die Staatsanwaltschaft, detailliert über jeden einzelnen, seit Auffinden des toten Afrikaners unternommenen Schritt berichtet hat und auch nachvollziehbar erläuterte, warum der alarmierte Notarzt bei der Untersuchung der Leiche die Stichwunde für einen Schlüsselbeinbruch gehalten hatte, wird den Beamten „komplettes Versagen“ vorgeworfen.

Während Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, wegen angeblicher Ermittlungspannen eine Strafanzeige gegen die Polizei stellte, lobte der Generalsekretär der sächsischen AfD, Uwe Wurlitzer, die Beamten, die „diese abscheuliche Tat ohne politische Scheuklappen so schnell aufgeklärt“ haben, ausdrücklich. Einige Politiker täten gut daran, in sich zu gehen und nachzudenken, so Wurlitzer, „ob es sinnvoll ist, der hiesigen Bevölkerung indirekt die Bereitschaft zu unterstellen, hier lebende Asylbewerber heimtückisch zu ermorden.“

Kommentar Seite 2

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