© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/15 / 30. Januar 2015

Optimistisch ohne Euro
Deutsche Mittelständler im Europavergleich skeptisch
Ronald Gläser

In Deutschland gibt es etwa 4.000 Busunternehmen mit 76.000 Bussen. Jetzt sehen sie ihre Geschäftsgrundlage in Gefahr. Der ohnehin schon harte Wettbewerbsdruck wird durch einen neuen Konkurrenten mit staatlicher Beteiligung verschärft: Die Deutsche Post hat im Dezember mitgeteilt, daß sie nach dem Fernbus-Markt nun gemeinsam mit dem Marktführer Österreichs, der Firma Eurotours, ins Bustouristikgeschäft einsteigen will.

Eurotours kooperiert im Vertrieb unter anderem mit Tschibo. Deswegen befürchtet der Präsident des Internationalen Bustourismusverbandes (IBV) Richard Eberhardt einen heftigen Verdrängungsdruck, der dem „Begriff Kaffeefahrt neue Bedeutung verleihe“. Weiter: „Die Zahl der Busreiseveranstalter hat sich in den vergangenen Jahren bereits um rund ein Fünftel verringert“, sagt Eberhardt. „Betriebsaufgaben und Fusionen gehen auf Kosten der bunten Vielfalt in der Bustouristik.“ Darunter leide auch der Verbraucher.

Die Stimmung ist also verhalten. Und das ist typisch für den deutschen Mittelstand. So wie den Busunternehmern geht es vielen Mittelständlern in Deutschland, bei denen sich die Zuversicht der letzten Jahre eingetrübt hat. Ernst & Young prognostiziert sogar die Rückkehr von Zukunftsangst. „German Angst erfaßt den deutschen Mittelstand“, warnt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in ihrem neuesten Mittelstandmonitor.

Für die Studie, die vor einer Woche in Berlin vorgestellt worden ist, wurden 6.000 Unternehmen aus 21 europäischen Ländern (inklusive Türkei und Rußland) befragt. Die meisten der befragten deutschen Firmen machen zwischen 30 und 100 Millionen Euro Umsatz pro Jahr und stammen aus der Industrie (42 Prozent), gefolgt von Dienstleistungen (26), Handel (18) und Bau/Energie (14).

Gerade noch 19 Prozent der befragten 600 deutschen Unternehmen glauben an eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, 33 Prozent hingegen an eine Verschlechterung. Vor dem Hintergrund der Entwicklung der letzten Jahre und im internationalen Vergleich wird deutlich: Die Stimmung war lange nicht so schlecht.

Zum einen ist der Trend in Deutschland klar: Noch vor einem Jahr rechneten 49 Prozent der Unternehmen mit einer Verbesserung der Lage, und nur acht Prozent waren skeptisch. Jetzt hat sich dies ins Gegenteil verdreht. Was das Geschäftaftsklima angeht, so liegt Deutschland auf einem der letzten Plätze. Dahinter kommen nur noch Italien, Polen und Griechenland.

Wer nach den unternehmensspezifischen Einschätzungen der Firmen fragt, bekommt noch schwächere Zahlen – aus deutscher Sicht: So rechnen nur fünf Prozent der deutschen Mittelständler mit einer Verbesserung der eigenen Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten. Sogar in Griechenland sind mit acht Prozent mehr Unternehmer optimistisch als bei uns.

Die Zahlen sagen etwas über die wirtschaftliche Lage, die sich bei uns verschlechtert, aber in vielen gebeutelten Staaten nach jahrelanger Rezession wieder verbessert. Und sie offenbaren eine deutsche Besonderheit. Denn die „German Angst“ grassiert mit einigen Abstrichen auch in unseren mehr oder weniger deutschsprachigen Anrainerstaaten Schweiz, Österreich und Luxemburg.

In diesen vier Staaten (zusammen mit Deutschland) tritt außergewöhnlicher Pessimismus zutage. Besonders deutlich wird diese übereinstimmende Haltung bei der Einschätzung der Sparpolitik. Nur in diesen vier Staaten gibt es unter Firmenchefs eine Mehrheit für die Politik der schwäbischen Hausfrau. In allen anderen Ländern setzten Firmen eher auf Wachstum auf Pump, selbst in als vergleichsweise solide geltenden Ländern wie Dänemark und den Niederlanden. „Zwei Drittel aller Mittelständler in Europa treten für eine Abkehr von der Austeritätspolitik ein“, so Ernst & Young-Experte Peter Englisch.

Deutschland und Anrainer als Pessismisten und Sparfüchse – auf der anderen Seite die Opimisten: Das beste Geschäftsklima herrscht in der Türkei, Irland und Großbritannien. Die drei Länder und Portugal führen auch bei anderen Fragen die Liste der Zuversichtlichen an. Es fällt auf, daß mit Großbritannien und der Türkei zwei Staaten besonders optimistisch sind, die nicht zur Eurozone gehören. In Staaten der Eurozone ist das Klima hingegen schlecht. Wäre die Stimmung nicht in Polen und Rußland wegen des Ukrainekonflikts ebenfalls eingetrübt, so würden fast alle Pessimisten aus der Eurozone kommen.

Der Konflikt zwischen Rußland und dem Westen verhagelt bereits jetzt 26 Prozent der deutschen Mittelständler mehr oder weniger das Geschäft. Im Rest von Europa sind es 22 Prozent. Je größer, desto härter wirkt sich der Konflikt aus. Industrie und Handel sind stärker betroffen als andere Branchen.

Fast niemand schreit nach Subventionen

Zu den Folgen gehört ein Abschwung am Arbeitsmarkt. In keinem Land gibt es mehr Firmen, die von einer sinkenden Beschäftigung ausgehen, als in Deutschland (16 Prozent). Ursache Mindestlohn? Die Gutachter von Ernst & Young sind nicht ganz sicher: „Das kann damit zusammenhängen, aber da muß nach Branchen differenziert werden.“

Busunternehmer Eberhardt redet in dieser Frage Klartext: „Der Mittelstand, dem bürokratische Monster wie die Umweltzonen und seit diesem Jahr die Mindestlohnmeldeverordnung aufgebürdet werden, muß von Wettbewerbsdiskriminierungen entlastet werden.“

Hier sind sich die Mittelständler aus Europa einig: Kaum einer wünscht sich mehr Subventionen. Die meisten wollen Entbürokratisierung und Steuererleichterungen. Das ist auch die Hauptforderung von Richard Eberhardt: Er hätte am liebsten eine „Reduzierung der Mehrwertsteuer für die Beförderung mit Reisebussen“.

Ernst & Young. Mittelstandsbarometer Deutschland und Europa, Januar 2015 www.ey.com

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