© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/15 / 06. Februar 2015

Gegen ein Volk von Ausgrenzern
Antidiskriminierungsorganisationen: Ginge es nach den Definitionen der Lobbyisten, kann jeder jederzeit irgendwo diskriminiert werden
Christian Schreiber

Der Publizist Jan Fleischhauer ist für seine spitze Feder bekannt. Spöttisch bezeichnete er die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) als „eine der Organisationen, bei denen man sich fragt, was sie eigentlich die ganze Zeit machen“. Dabei mußte der Spiegel-Kolumnist feststellen, daß es mit der Toleranz der Toleranzwächter nicht weit her ist. „Warum ist man bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes bloß so wahnsinnig empfindlich? Ein paar Fragen zu einer Studie an die Pressestelle, und schon treten die Anwälte einer Medienkanzlei auf den Plan“, schrieb Fleischhauer, nachdem er sich kritisch mit einer Publikation der Organisation auseinandergesetzt hatte.

In Zeiten der Demonstrationen der Pegida-/Legida-Bewegung und der islamisch motivierten Attentate von Paris ist in der Bundesrepublik abermals eine Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen und Migranten entbrannt. Tenor der veröffentlichten Meinung: In Deutschland herrsche „Alltagsrassismus“, wie der Verein „Opferperspektive“ in Brandenburg behauptet. Die Organisation läßt sich auch durch Tatsachen nicht aus dem Konzept bringen: Nach der Tötung eines Asylbewerbers aus Eritrea wurden vorschnell Rechtsextreme verdächtigt. Nachdem durch sorgfältige Ermittlungen der Polizei klar wurde, daß der Asylbewerber Khaled I. in Dresden keineswegs von Einheimischen, sondern mutmaßlich von einem Landsmann erstochen worden war, hieß es von der „Opferperspektive“ lapidar: „Daß sich die Befürchtungen in diesem Fall nach bisherigen Informationen nicht bestätigt haben, heißt nicht, daß sie unberechtigt waren beziehungsweise sind.“ Vorher, noch während die Suche nach dem Täter lief, hatte der Verein mit Verdächtigungen gearbeitet: „Wir sind tief betroffen und alarmiert von den Ereignissen in Dresden!“ Und warb für zwei Demonstrationen unter den Motti: „Rassismus tötet“ und „Gegen den rassistischen Normalzustand!“

Der eingetragene Verein ist eine von zahlreichen Organisationen, die sich mit „Diskriminierung“ in Deutschland beschäftigen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat vor einiger Zeit eine Machbarkeitsstudie unter dem Namen „Standardisierte Datenerhebung zum Nachweis von Diskriminierung“ veröffentlicht. Ziel war es, eine Antwort auf die Frage zu geben, „ob und – wenn ja – wie eine einheitliche und standardisierte Datenerhebung zum Nachweis von Diskriminierung möglich ist“. Die ADS hat 2011 eine Koalition gegen Diskriminierung ins Leben gerufen, der zunächst Hamburg, Berlin und Brandenburg beigetreten waren. Mittlerweile gehören ihr zehn von 16 Bundesländern an.

„Wir können nicht hinnehmen, daß Menschen immer wieder Nachteile wegen ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Identität, ihrem Geschlecht, Glauben oder dem Alter erleben. Für eine Gesellschaft, in der Diskriminierung keinen Platz hat, brauchen wir den Schulterschluß zwischen Bund und Ländern“, erklärte Christine Lüders, die an der Spitze der ADS steht. Die anonymisierte Bewerbung ist ihre bisher wohl bekannteste Erfindung. Ihre Organisation bemüht sich um eine Vereinheitlichung im „Kampf gegen die Diskriminierung“ und darum, „die zahlreichen regionalen Initiativen“ unter einen Hut zu bringen.

Die Übergänge von staatlich geförderten Projekten hin zu militanten Antifa-Gruppierungen ist dabei fließend. Ein Beispiel hierfür ist die Organisation „Opferperspektive“ und die ihr angeschlossene „Antidiskriminierungsberatung Brandenburg“. „Opferperspektive“ schreibt über sich, daß sie eine „aufsuchende Beratung“ im Land Brandenburg biete. „Wir recherchieren und erfassen systematisch landesweit Fälle rechter Gewalttaten und thematisieren rechte Gewalt aus Sicht der Opfer.“ Über deren Entstehung und Zusammensetzung schrieb die linke taz: „1998 gründete eine kleine Gruppe Antifa-Aktivisten die Opferperspektive, einen ehrenamtlichen Verein zur Betreuung von Betroffenen rechter Gewalt – der erste bundesweit. Neben der Opferhilfe recherchiert die Gruppe eine fortlaufende Chronologie rechter Vorfälle im Land.“ Vorsitzender des Vereins ist Marcus Reinert, der in Interviews gern ein düsteres Bild vor allem von den Zuständen in den neuen Bundesländern zeichnet: „In Brandenburg war der Rechtsextremismus in weiten Flächen geduldeter Alltag. Wurde über rechte Gewalt diskutiert, dann immer mit starker Täterzentrierung“, erklärt er die Gründungsmotive.

In den Anfangsjahren sei rechte Gewalt stark verharmlost worden: „Man wollte nicht wahrhaben, daß es ein Problem mit rechten Strukturen vor Ort gab. Da war natürlich ein Projekt, das dieses Thema ans Tageslicht zieht, ein Problem. Aber wir wollten ja die Politik unter Druck setzen, das Problem nicht mehr schönzureden. Es hat funktioniert“, sagt er heute zufrieden, fordert aber, daß sich Organisationen wie sein Verein bundesweit ausdehnen müßten.

Bewußt düsteres Bild von den Verhältnissen gezeichnet

Denn nicht nur im Osten der Republik, sondern auch in Bayern will Reinert einen „starken Alltagsrassismus“ ausgemacht haben: „Nur herrscht in Westdeutschland ein Wahrnehmungsproblem. Rechte Taten werden dort nicht flächendeckend dokumentiert und nicht öffentlich diskutiert, weil dafür entsprechende Stellen fehlen, die dies tun. Auch Betroffenen dieser Gewalt fehlen qualifizierte Ansprechpartner. Das ist ein untragbarer Zustand.“ So fordert er, daß es auch im Westen „flächendeckende Betreuungsangebote“ geben solle, „hierfür müssen die nötigen Mittel bereitgestellt werden.“

Wurzeln im militant linksextremen Milieu

In Brandenburg fließen diese Mittel bereits, so daß man mit Fug und Recht von einem Geschäft mit der Antidiskriminierung sprechen kann. Seit 2001 werden Beratungsnetzwerk und die „Opferperspektive“ neben Spenden auch durch Mittel des Landes finanziert. Im gleichen Jahr wurden Projekte in den Ost-Bundesländern und in Berlin nach diesem Vorbild eingerichtet. Der Verein, dessen Wurzeln nachweislich im militanten antifaschistisch-linksextremen Milieu liegen, hat in den vergangenen Jahren eine verstärkte Anerkennung erfahren. Etwa 20 Prozent seiner Einnahmen stammen unter anderem aus Spenden, Bußgeldern, privaten Zuschüssen, während ungefähr 80 Prozent staatliche Zuschüsse sind, die hauptsächlich aus dem Landeskonzept „Tolerantes Brandenburg“ sowie aus dem Bundesförderprogramm Beratungsnetzwerke fließen.

Die Organisatoren treten an Schulen auf, halten Seminare und bieten Kongresse an, teilweise in Gemeinschaft mit der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Ihre Arbeit sei notwendig und wichtig angesichts des gesellschaftlichen Klimas. Es gebe „viele Einzelmaßnahmen, aber kein schlüssiges Gesamtkonzept gegen Rassismus in Brandenburg“, sagt Nadja Hitzel-Abdelhamid von der Antidiskriminierungsberatung Brandenburg. Sie fordert im Land, aber auch bundesweit ein Antidiskriminierungsgesetz. Gegenüber der sozialistischen Tageszeitung Neues Deutschland nannte sie „Wohnungen, die an Ausländer nicht vergeben werden“ sowie „ungerechtfertigte Kontrollen durch Polizeibeamte oder Kaufhausdetektive“ als Beispiele für den gängigen Rassismus: „Der Alltag von Flüchtlingen, Migranten oder Menschen mit Migrationshintergrund ist durchzogen von Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen, egal ob sie Akademiker oder Arbeiter sind. Das fängt bei rassistischen Beleidigungen auf der Straße, in der Nachbarschaft oder auf dem Weg zur Schule an und geht bis hin zu Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, dem Wohnungsmarkt, in der Freizeit, im Gesundheitsbereich oder durch Behörden“, behauptet die Ausländerlobbyistin.

In der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam ist es vor zwei Jahren zu einer hitzigen Debatte über das Sinterklaas-Fest im holländischen Viertel gekommen. Aus finanziellen Gründen wurde die Brauchtumsveranstaltung offiziell abgesagt, Hintergrund war aber auch eine politische Debatte. Der Besuch des holländischen Weihnachtsmannes war über Jahre ein Höhepunkt des Potsdamer Advents. Doch 2013 stellte eine Kommission der Uno den Brauch wegen der Sinterklaas begleitenden „Zwarten Pieten“ unter Rassismusverdacht. Auch das im Park Sanssouci stehende historische „Mohrenrondell“ wurde zum Ziel politisch korrekter Debatten. „Antidiskriminierungsexperten“ sahen in dem seit 270 Jahren stehenden Kunstwerk einen „Beleg für rassistische Grundhaltung“. Nachdem die Debatte in der Lokalpresse bunte Blüten trieb und eine Glosse in der Märkischen Allgemeinen eine Umbenennung in „Rondell für Mitbürger mit eher dunkler Hautfarbe, aber ohne Dauerkarte fürs Solarium“ vorschlug, kehrte wieder Vernunft ein. Die Skulptur steht immer noch, und auch der „Zwarte Piet“ durfte im vergangenen Advent Potsdam wieder besuchen; ohne aggressives Insinuieren von seiten der Opferperspektive ging es aber auch diesmal nicht.

Die Antidiskriminierungsstellen streiten in der Eigensicht weiter für eine „gerechtere Gesellschaft“. Mittlerweile geht es nicht mehr nur um tatsächlichen oder vermeintlichen Rassismus, sondern um eine Vielzahl gesellschaftlicher Gruppen. Schwule und Lesben würden auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt, Behinderte sowieso. Auch alleinerziehende Frauen hätten Probleme und: „Auch viele ältere Menschen leiden zunehmend unter Ausgrenzung.“ Was unter dem Strich heißt: In Deutschland kann jeder jederzeit irgendwo diskriminiert werden.

www.antidiskriminierungsstelle.de

www.opferperspektive.de

 

Antidiskriminierung im Fokus

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) existiert seit 2006. Sie ist dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angegliedert. Die Einrichtung erhält jährlich drei Millionen Euro aus Steuermitteln und beschäftigt 27 Mitarbeiter. Ziel ist es, Menschen Beratung und Unterstützung zu geben, die sich wegen ihrer ethnischen Herkunft, Religion oder Weltanschauung, ihres Alters, Geschlechts, ihres Sexualverhaltens oder einer Behinderung wegen diskriminiert fühlen.

Die ADS ist vielfältig vernetzt mit anderen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen in den Ländern und Kommunen. In deren Beirat sitzen unter anderem der Zentralrat deutscher Sinti und Roma, der Lesben- und Schwulenverband, der DGB, der Deutsche Juristinnenbund oder die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Zusammengearbeitet hat die ADS laut Selbstauskunft beispielsweise bereits mit der Antidiskriminierungsstelle Hannover, dem Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg oder dem Anti-Rassismus-Informations-Centrum ARIC-NRW.

Foto: Anonymisierte Bewerbung, eine Erfindung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Das Betätigungsfeld ausweiten

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