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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/15 / 13. Februar 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Hinters Licht geführt
Marcus Schmidt

Die Geschichte klingt ungeheuerlich. Ein Abgeordneter zieht sich aus einem Untersuchungsausschuß zurück, weil er befürchtet, daß seine Arbeit durch das Treiben des eigenen Geheimdienstes untergraben werden könnte. Schauplatz dieser Geschichte ist nicht etwa eine nahöstliche Autokratie oder irgendein Staat in Afrika, sondern Berlin.

Dort hatte der Obmann der CDU/CSU im NSA-Untersuchungsausschuß, Roderich Kiesewetter, vor gut drei Wochen angekündigt, er werde sich am 1. März aus dem Gremium zurückziehen. Begründung Kiesewetters, der auch Obmann im Auswärtigen Ausschuß ist: Er müsse sich auf „aktuelle außenpolitische Herausforderungen“ und andere „Wahlämter“ konzentrieren. Doch wie jetzt bekannt wurde, hatte der 51 Jahre alte Oberst a. D. ganz andere Gründe für seinen überraschenden Rückzug. DieWelt am Sonntag berichtete, Kiesewetter habe der Fraktionsführung Anfang des Jahres bedeutet, er fühle sich vom Bundesnachrichtendienst (BND) hinters Licht geführt.

Denn offenbar arbeiten zwei Führungsmitglieder des Reservistenverbandes, dem Kiesewetter seit 2011 als ehrenamtlicher Präsident vorsteht, mit dem BND zusammen. Dies habe Kiesewetter im November 2013 zufällig entdeckt. Einer der Männer bestätigte der Welt seine Tätigkeit für den Auslandsgeheimdienst. „Ja, ich habe mit dem Bundesnachrichtendienst kooperiert. Diese Kooperation bestand schon, bevor Kiesewetter Präsident des Reservistenverbandes wurde. Ich sah keinen Anlaß, ihn präventiv zu informieren“, zitiert ihn das Blatt. Der Präsident des BND, Gerhard Schindler, bestätigte die Kontakte zu den Reservisten. Die Zusammenarbeit mit Ex-Soldaten diene der Erfüllung des gesetzlichen Auftrags des BND. „Ein Zusammenhang mit der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses besteht nicht“, fügte Schindler in einer Stellungnahme hinzu.

Kiesewetter sieht das offensichtlich anders: Im Untersuchungsausschuß, der die Aktivitäten des amerikanischen Geheimdienstes NSA in Deutschland untersucht, hatte Kiesewetter immer wieder Partei für den BND ergriffen. Dies könnte nun angesichts der BND-Kontakte im Umfeld des CDU-Politikers, der nach eigenen Angaben nie für den BND gearbeitet hat, wie eine Auftragsarbeit wirken, fürchtet Kiesewetter. Er habe die Arbeit des Verbandes durch den Geheimdienst kompromittiert gesehen.

Die Bundesregierung wollte sich öffentlich nicht zu den Berichten äußern. „Geheimdienste heißen Geheimdienste, weil sie geheim arbeiten. Deswegen gibt es Gremien, die diese Geheimdienste kontrollieren. Dort wird Auskunft gegeben, und nicht hier“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter am Montag. Dazu könnte es bald kommen. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste, André Hahn (Linkspartei), forderte den BND auf, den Vorgang aufzuklären. SPD und Grüne schlossen sich dieser Forderung an. Daß die Öffentlichkeit von den Ergebnissen erfährt, ist allerdings unwahrscheinlich.