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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/15 / 13. Februar 2015

„Das Antlitz des IS von der Erde tilgen“
Jordanien: Nach dem Mord an dem Kampfpiloten Muadh as-Kasasba zeigt sich das Königreich im Kampf gegen den Terror geeinter denn je
Marc Zöllner

Muadh al-Kasasba war das erste Opfer Jordaniens im Krieg gegen den Islamischen Staat (IS). Zum Weihnachtsabend vergangenen Jahres stürzte er mit seinem Kampfflugzeug über ar-Raqqa im nördlichen Syrien ab. Er wurde verschleppt, gefoltert und später, in einen Stahlkäfig gepfercht, von den Islamisten lebendig verbrannt. Sein Leiden und sein Tod wurden von den Islamisten gefilmt, propagandistisch ausgeschlachtet, Anfang Februar dann im Internet veröffentlicht.

Mit diesem Video hatte der Islamische Staat vor allem eines im Sinn: Angst zu verbreiten unter den Bürgern jener Staaten des Nahen Ostens, welche sich vor gut sechs Monaten den Luftangriffen der USA gegen den IS angeschlossen hatten. Vielleicht sogar eine Einstellung der kriegerischen Auseinandersetzungen selbst und insbesondere mit Jordanien als direktem Nachbarn. Doch dieses Mal könnte er sich verkalkuliert haben, denn gerade Jordanien reagiert anders als vom IS erwartet.

Die öffentliche Meinung schlug blitzartig um

„Kondolenzhäuser finden sich nun überall, Gebete werden in Moscheen und Kirchen gehalten, Hochzeiten abgesagt“, berichtet der jordanische Journalist Raed Omari in seiner neuesten Kolumne für den Dubaier Nachrichtensender al-Arabiya aus seinem Heimatland. „Sogar neu geborene Kinder werden nach Muadh benannt; ebenso wie Straßen und Alleen.“

Blitzartig schlug die öffentliche Meinung der Jordanier um. Sprach sich die breite Mehrheit der Bevölkerung zuvor noch gegen eine direkte Beteiligung ihres Staates an den Luftschlägen gegen IS-Stellungen im Irak und Syrien aus, versammeln sich nun unzählige Menschen von Amman bis Akaba auf den Straßen, um für den Eintritt Jordaniens in den Krieg zu demonstrieren.

König Abdullah II., der seine Visite im Weißen Haus um einen Tag verkürzte, um seinen Untertanen in dieser Stunde beizustehen, wurde von Tausenden Bürgern bei seiner Landung auf dem Queen Alia Flughafen frenetisch bejubelt. Selbst die Islamische Aktionsfront (IAF), der 1992 gegründete politische Arm der jordanischen Moslembruderschaft, geißelte die Hinrichtung als „kriminellen Akt, welcher die Rechte von Gefangenen im Islam verletzt“. Die Bedenken vieler Jordanier, ihre Grenzen seien von den IS-Milizen nicht direkt bedroht und eine militärische Intervention in die Bürgerkriege der Nachbarländer sei somit obsolet, fanden mit der grausamen Verbrennung eines ihrer Landsleute durch die Radikalislamisten schlagartig ihr Ende. Jordanien, so wissen die Jordanier, befindet sich nun im Krieg – nicht nur gegen den Islamischen Staat, sondern auch gegen den radikalen Islam an sich.

Die Wut des erzürnten Jordanien entlädt sich in Bombardements der Luftwaffe. Rund sechzig Angriffe flogen jordanische Kampfflugzeuge allein in den ersten drei Tagen nach der Veröffentlichung des Videos. Deren Ziele waren vielfältig: Trainingslager wurden ins Visier der Raketen genommen, aber auch Wohnanlagen, Kommandobunker, Benzintanks und Werkstätten.

„Wir haben bereits zwanzig Prozent der militärischen Kapazitäten des IS zerstört“, verkündete General Mansour al-Jobour, Chef der jordanischen Luftwaffe, zu Wochenbeginn der Presse.

Doch auch psychologisch verfehlen die Einsätze Jordaniens, denen sich als neuer alter Verbündeter die Vereinigten Arabischen Emirta mit einer Schwadron an F-16-Fliegern wieder angeschlossen haben, ihr Ziel nicht.

Erstmals seit Beginn seines Siegeszugs im Nahen Osten bat der Islamische Staat um eine Feuerpause und erinnerte Amman, mit Verweis auf die mutmaßlich bei einem jordanischen Angriff umgekommene US-amerikanische Geisel Kayla Jean Mueller, an die Sicherheit seiner eigenen Zivilisten.

Gehör verschafft sich der IS damit in Amman jedoch nicht. Statt dessen treffen die Behörden bereits Vorsichtsmaßnahmen, um mögliche Racheakte der Islamisten auf jordanischem Territorium zuvorzukommen. Die Geheimdienste seien „bereit für jeden, der sich in die Sicherheit Jordaniens einmischen wolle“, droht Innenminister Hussein al-Majali. Gleichzeitig ermahnte er die Jordanier, jegliches verdächtige Verhalten, speziell von Ausländern, sofort den zuständigen Stellen zu melden. Jordanien würde die Extremisten verfolgen, wo immer sie sich befänden. „Die Luftangriffe“, so al-Majali, „sind erst der Anfang unseres Unternehmens, um den IS zu zerschlagen und komplett auszuradieren.“ „Wir haben gefunden, wonach wir gesucht hatten: die Rache für Muadh“, erklärt auch al-Jobour stolz. „Und dies ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang. Wir sind fest dazu entschlossen, den IS vom Antlitz der Erde zu tilgen.“

Foto: Tausende gedenken in Amman des getöteten F-16-Piloten: Die Wut über den IS kennt keine Grenzen