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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/15 / 13. Februar 2015

Roß und Reiter füreinander geschaffen
Hymnus auf das Leben: Ein isländisches Filmepos handelt „Von Menschen und Pferden“
Sebastian Hennig

Von Menschen und Pferden“ handelt das Spielfilmdebüt des isländischen Schauspielers und Theaterregisseurs Benedikt Erlingsson. Der entgegnete der Frage danach, warum kaum weitere Tiere in seinem Film vorkommen: „Es gibt einen einzigen Hund im Film, der einmal bellt und sofort verstummt. Ich persönlich mag keine Hunde, für mich bringen sie nur Unruhe in die Natur. Wenn du etwas mit Tieren machen willst, mußt du sie erst dazu kriegen, still zu sein. Es gab Schafe in meinem Drehbuch, aber die folgen einfach keiner Regieanweisung.“

Das Pferd nimmt gegenüber anderen domestizierten Tieren eine herausgehobene Stellung ein. Als engster Gefährte des königlich freien Menschen erweitert es dessen Statur. Es erhöht, stärkt und beschleunigt ihn, verleiht ihm Haltung.

Es werden kaum Worte gemacht. Und dennoch ist der Film ein beredter Hymnus auf das Leben. Das Sehnen, Wähnen, Streben und Sterben von Mensch und Tier ereignet sich unter dem weiten Himmel Islands. Der Film entrückt uns in eine vorindustrielle Zeit. Unberitten erweist sich der Mensch als armseliger Tropf. Denn im Gegensatz zur selbstverständlichen schwingenden Bewegung der Reiter ist das Ruckeln der Radler und Traktorfahrer grausig anmutlos und unwirtschaftlich. Die Weitläufigkeit der Landschaft rückt zwei füreinander geschaffene Wesen noch näher zusammen. Ihre Fortbewegung entspricht der großartigen Signatur des Landes, einer Offenheit inmitten deren die Bewohner eine sture Beschränkung an den hellen Tag legen können.

Der Suffkopf Vernhardur (Steinn Ármann Magnússon) spornt sein geliebtes Pferd Jarpur gegen die Fluten. Wie der kräftige Mann vor der Küstenlandschaft reitet, erscheint als ein archetypisches Bild. Es erinnert an Arnold Böcklins Gemälde „Der Abenteurer“. Doch statt landeinwärts wird hier auf die See zugeritten und statt eines Segelboots taucht in naher Ferne der russische Hochseetrawler „Kropotkin“ auf. In blinder Gier treibt er sein Pferd durch das Wasser auf den Stahlkoloß zu. Majestätisch heben sich die beiden auf einer Bühne vor dem blauen Anstrich des Schiffsrumpfes ab. Der Pferde liebende Matrose Gengis (Kash Erden Baater) hat nicht den begehrten Wodka. Die hochprozentige Lösung, die er Vernhardur stattdessen schließlich aushändigt, besiegelt ein tödliches Schicksal. Den raschen Tod säuft er gierig aus der Flasche in sich hinein.

Szenenwechsel: Grimur (Kjartan Ragnarsson) berauscht sich an der Freiheit, indem er uralte Reitwege unter die Hufe nimmt. Den Stacheldraht des Landeigners zerkneift er mit der Zange: „Egill, du kannst nicht einfach die nationale Route versperren!“ Auch er wird durch seine Leidenschaft versehrt.

Die zentrale Geschichte handelt jedoch von der Anbahnung einer Liebesbeziehung. Der smarte Kolbeinn (Ingvar Eggert Sigurðsson) bereitet sich und seine preisgekrönte Stute Grána für den Antrittsbesuch bei der jungen Witwe Solveig (Charlotte Bøving) vor. Der Mann ist ein Reiter durch und durch. Eine Statur bekommt er erst, wenn er auf dem Pferderücken Platz nimmt. Er flüstert der Stute Koseworte ins Ohr, die ebenso der begehrten Frau gelten könnten. Als er durch den kühlfrischen Sonnentag den Ritt zur Dame seines Herzens aufnimmt, folgen ihm die Blicke der Talbewohner genau. Ferngläser sind teilnehmend auf die Anbahnung einer zarten Begegnung gerichtet. Vom Acker her schaut der Traktorfahrer dem schmucken Reiter hinterher, der an ihm vorüberzieht.

Der Mensch erfährt sein Unterworfensein als Kreatur widergespiegelt im Verhalten des ihm nahe zugesellten Tieres. Das hat keinen anderen Willen als er, aber dafür ein feineres Gespür. Wenn der Reiter unentschlossen ist, trägt ihn das animalische Gespür des Pferdes weiter. Uneingestandenes Begehren und Zaudern beeinflussen jedoch nicht nur den Ritt. Wer sich bereits angehört hat, dem fällt das offene Eingeständnis besonders schwer. Während drinnen alle beherrscht an der Kaffeetafel plaziert sind, übernimmt draußen der erotische Furor das Szepter. Solveigs Hengst Brúnn und Kolbeinns Stute Grána haben Witterung aufgenommen. Die gezierte Art ihrer menschlichen Besitzer liegt ihnen fern. Und so vollzieht sich auf Kolbeinns Heimritt etwas ebenso Naheliegendes wie Ungeheuerliches.

Wilde Situationskomik und zarte Anmut der Bewegungen halten sich im Film die Waage. Was vorgeführt wird, ließe sich als hohe isländische Schule bezeichnen, angereichert mit lebensnaher Artistik. Man muß kein Pferdenarr sein, um von dieser Schönheit betroffen zu werden. Im Abspann wird dem Zuschauer vorsichtshalber versichert, daß kein Tier während der Dreharbeiten gequält oder verletzt wurde.

Die Tiere, ihre Bändiger und die Landschaft, die sie umfängt, werden erzählend gezeigt und ihre Geschichte beim Zeigen erzählt. Weder Handlung noch Lokalität werden zum alleinigen Vorwand des Films. Daß dessen Episoden locker gefügt sind, kann dem Zusammenhang nichts anhaben. Denn die Menschen und ihre Pferde finden in der weiten Landschaft keinen anderen Bezugspunkt als einander. Dadurch strömt alles Geschehen zwanglos immer wieder zusammen. Das Schicksal aus einer Episode berührt die Handlung der nächsten.

Es schließt sich der Reigen, wenn es am Ende des Films Herbst ist und die Leute des Tals sich daranmachen alle Pferde zusammenzutreiben. Im Getümmel der Menschen und Pferde lösen sich die Hemmungen und Verschrobenheiten auf. In heidnisch naturfrommer Unschuld empfinden die Liebesleute handfest ihre leibliche Gegenwart.

Kinostart ist am 19. Februar

www.vonmenschenundpferden-derfilm.de/