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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/15 / 13. Februar 2015

Grelle Lichtblitze, roter Feuerschein
Dresden 1945: Eine Schau des Künstlers Yadegar Asisi rückt die Zerstörung der Stadt wieder ins Blickfeld
Sebastian Hennig

Die Dresdner hätten am liebsten ein naturnahes Abbild der geliebten Felsformationen der Sächsischen Schweiz von ihm erhalten, erinnert sich Yadegar Asisi an die ersten Gespräche vor zehn Jahren. Zum 800. Jubiläum der Stadt 2006 entrückte er dann mit seinem Panorama „1756 Dresden – Dem Mythos auf der Spur“ in die große Zeit der sächsischen Residenz. Die spezifische Ausprägung des Dresdner Spätbarock hat ihn lange beschäftigt; 2012 präsentierte er eine überarbeitete Fassung dieser Vision. Doch von Anfang an schwebte Asisi ein Triptychon vor, beginnend im 18. Jahrhundert und bis in die Gegenwart hineinragend. Der in Wien geborene und in Sachsen aufgewachsene Perser strebte damit nach einer sinnlichen Form historischer Selbsterkenntnis.

Zum zweihundertsten Jahrestag der Völkerschlacht von 1813 eröffnete in Leipzig sein großes Schaubild vom Höhepunkt und der Überwindung des Krieges (JF 43/13). Das Dresdner Panorama dagegen zeigt das Florenz an der Elbe in seiner vollen Blüte, kurz bevor es im Siebenjährigen Krieg zu Schaden kam. Noch kein Schatten der Zerstörung trübt diese Herrlichkeiten. Zum siebzigsten Jahrestag der Vernichtung im Weltkrieg ist nun das Panorama eines Krieges ohne Schlacht zu besichtigen. Denn im Februar 1945 wurde Dresden schutzlos seiner Vernichtung ausgeliefert.

Unbehaglich kalt ist es zu dieser Pressekonferenz zwischen der Sandsteinaußenmauer des alten Gasbehälters in Dresden-Reick und der riesigen Bildwand mit der verglühenden Stadt. Neben Asisi hat der wissenschaftliche Direktor des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr, Gorch Pieken, Platz genommen. Er betont: „Die Menschen der Stadt waren im Fadenkreuz der Bomber. Die Ruinen waren der Kollateralschaden.“ Pieken erwähnt Würzburg, Hamburg, Köln und Pforzheim, wo die Bombardierung zum Teil noch intensiver und zerstörerischer wütete, und weist zugleich die „falsche moralische Mathematik“ zurück. Asisi bemerkt später, er finde Deutschlands Umgang mit der eigenen Geschichte beispielhaft. Vorwürfen, er würde „Wasser auf die Mühlen des Opfermythos“ gießen, tritt er offensiv entgegen: „Was heißt das: Opfermythos? Es ist kein Mythos! Es gibt Opfer.“ Mit seinem Schaubild möchte er betroffen machen.

Der zweite Bürgermeister und Beigeordnete für Ordnung und Sicherheit, Detlef Sittel, hatte zuvor bereits einen erwünschten Kurs angedeutet. Er sprach von einer neuen Emotionalität, die das Panorama bringe. und hoffte zugleich, diese möge „in eine richtige Richtung“ weisen. Da wundert es nicht, daß Asisi mehrfach die völlige wirtschaftliche Unabhängigkeit seines Unternehmens betont.

Dichte Rauchschwaden über dem Stadtbild

Der Besucher blickt aus fast dreißig Metern Höhe vom Turm des Rathauses und sieht die Stadt nach dem Tagesangriff vom 14. Februar 1945. Der dokumentierte Bestand mußte mit den Möglichkeiten der Darstellung versöhnt werden. Überall dort, wo Lücken in der visuellen Überlieferung bestehen, wälzen sich dichte Rauchschwaden über das Stadtbild. Authentizität und Wahrhaftigkeit sind zwei verschiedene Dinge. Die behutsame Weise, mit der das Geschehen anschaulich gemacht wurde, nimmt einen für einige Freiheiten bei der Gestaltung ein. Die Kuppel der Frauenkirche ist hier bereits eingefallen, obwohl sich dies erst einen Tag später ereignete. Es geschah in der Absicht, diese Ruine als zentrales Mahnmal der Zerstörung zur Geltung zu bringen. Während seines Architekturstudiums an der TU Dresden in den siebziger Jahren hatte Asisi den Trümmerberg vor Augen.

Vor der Mauer der Sächsischen Bodenkreditanstalt ziehen zwei grellfarbige Aras ihre Bahn. Die exotischen Vögel konnten sich wohl aus einer Voliere des Zoologischen Gartens ins Freie retten. Unter ihnen auf dem Grund glüht der Boden. Es werden sich dort die Brikettvorräte eines Kellers entzündet haben. Ein ausgebrannter Straßenbahnzug steht auf dem Gleis.

Für den Blick in ein Höllenfeuer können geschwärzte Gläser hilfreich sein. So wird die Geräuschkulisse zum Erträglichen gedämpft, synästhetischer Erfahrung ein Übergewicht des Sehens gewährt. Das Dröhnen der Motoren wird von Detonationen unterbrochen, während grelle Lichtblitze das Stadtskelett in einen roten Schein tauchen. Der gebändigte Naturalismus der Geräusche geht allmählich in dunkle Streicherklänge über. Über der Trümmerstätte erwacht ein Tag, der kaum Farben mit sich bringt. Nur der rote Feuerschein frißt sich an manchen Stellen weiter. Aus dem Albertinum und gegenüber am Neustädter Flußufer aus den Ministerien schlagen Flammen hervor. Vier Tage und Nächte soll Dresden gebrannt haben. In den Wohnvierteln ragen zwischen Fassadenhülsen die Schornsteine der Hinterhoffabriken empor. Vor der Halle des Hauptbahnhofs steht ein langer Zug auf den Gleisen. Der funktionale Kasten des Hygienemuseums klotzt stur zwischen den filigranen Ruinen der Bürgerhäuser. Nur mit Mühe sind Menschen auszumachen, die sich auf ihrem Weg durch das Unwegsame verlieren.

Auch dem Betrachter fällt die Orientierung schwer. Von den markanteren Gebäuden sind immer wieder Rückschlüsse auf nicht mehr vorhandene Situationen zu ziehen. Unter der Kupferabdeckung der Kreuzkirche zieht der Rauch hervor, wie unter dem Deckel eines angebrannten Kochtopfes. Ein Jahr wurde in Archiven gesucht und dabei viel Unaufgearbeitetes zutage gefördert. Doch die meisten der überlieferten Fotodokumente zeigen die Straßen und Plätze im bereits beräumten Zustand. Anhand von Modellen wurde die Unordnung simuliert.

Die Kommentare der umgebenden Ausstellung sind sehr zurückhaltend. Zwei aus den Trümmern geborgene Originale sind aufgestellt, die Glocke des Neustädter Rathauses und der Torso einer Heiligen Magdalena de Pazzi von der Hand des Kaiserlichen Hofbildhauers Lorenzo Mattielli. Gorch Pieken hat darauf hingewiesen, daß Dresden zur Referenz für alle Fälle von Kriegszerstörung geworden ist. Dieser „alleroberste Listenplatz“ beruht auf dem beispiellosen Kontrast zwischen der zivilisierten Schönheit der Stadt sowie der Art und Weise ihrer Auslöschung.

Die kommenden fünf Jahre kann diese Kluft von den Besuchern des Panometers im jahreszeitlichen Wechsel mit den Augen gemessen werden. In knappen Worten umreißt Asisi das Dresdner Programm: „Im Sommer den Barock, im Winter den Krieg.“ Während der Monate, in denen vor Ort die anmutigste Fata Morgana der sächsischen Landeshistorie zu sehen ist, könnte das apokalyptische Bild Dresdens vorübergehend auswärts präsentiert werden. Yadegar Asisi will ganz entspannt auf lohnenswerte Nachfragen dazu warten.

Die Ausstellung „Dresden 1945 – Tragik und Hoffnung einer europäischen Stadt“ ist bis zum 31. Mai im Panometer Dresden, Gasanstaltstraße 8b, täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, Sa./So. bis 18 Uhr, zu sehen.

http://asisi.de

Foto: Panoramabild Dresdens nach dem zweiten Bomberangriff vom 14. Februar 1945: Über der Trümmerstätte erwacht ein Tag, der kaum Farben mit sich bringt. Nur mit Mühe sind Menschen auszumachen, die sich auf ihrem Weg durch das Unwegsame verlieren.