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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/15 / 13. Februar 2015

Frisch gepresst

Kriegsschuld. In der Diskussion über Christopher Clarks „Die Schlafwandler“ (JF 42/13), das die Hauptverantwortlichen für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges nicht in Berlin, sondern in Paris und Sankt Petersburg ausmachte, verwies das „schuldstolze“ Gros seiner hiesigen Kritiker häufig darauf, daß der britische Historiker lediglich auf Positionen „zurückgefallen“ sei, die aus Ursachenanalysen während der 1920er resultierten. Wie Stefan Scheils vor dem Hintergrund dieser Debatte entstandene Anthologie nun belegt, die eine repräsentative Auswahl zeitgenössischer, vornehmlich britischer und französischer Texte zur Kriegsschuldfrage bringt, bestätigt Clark tatsächlich wichtige, nach 1919 von der historischen Forschung gewonnene Einsichten. Ein wissenschaftlicher Rückschritt ist das jedoch nicht. Vielmehr, wie die Lektüre von Scheils Quellen offenbart, die Wiedergewinnung verdrängten Wissens. Zu Scheils schönsten Fundstücken zählen die Reflexionen eines US-Generals über Wall Street und Rüstungsindustrie als Kriegstreiber von 1898 bis 1917 sowie ein auf russischem Aktenmaterial basierender Bericht über die von den Diplomaten des Zaren „geschmierte“ französische Presse. (dg)

Stefan Scheil: „Mitten im Frieden überfällt uns der Feind“. Vergessene Wahrheiten des Ersten Weltkriegs. Landt Verlag, Berlin 2014, gebunden, 267 Seiten, 29,80 Euro

 

Konservative Politik. Unter den Staats-und Verwaltungsrechtlern der wilhelminischen und der Weimarer Zeit zählte der Marburger Ordinarius Johann Victor Bredt (1879–1940) eher zur zweiten Garnitur, die heute auch wissenschaftshistorisch nur ein Schattendasein führt. Und als Politiker teilt der Reichstagsabgeordnete Bredt – im ersten Kabinett Heinrich Brünings 1930 sogar Reichsjustizminister –, das Schicksal vieler Akteure der ersten deutschen Republik, schnell in Vergessenheit geraten zu sein. Daß sich die Beschäftigung mit Bredt, einem konservativen Bismarckianer und Herzensmonarchisten, der nach 1918 auch Talente als Pragmatiker und Wirtschaftsliberaler entfaltete, durchaus lohnt, belegt jetzt die Kasseler Dissertation von Martin Grosch. Am Beispiel dieses „Zweckrepublikaners“, der die parlamentarische Demokratie nicht beseitigen, sondern im nationalkonservativen Sinne umgestalten wollte, beleuchtet Grosch bislang kaum beachtete Aspekte des deutschen Konservatismus. (wm)

Martin Grosch: Johann Victor Bredt. Konservative Politik zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus. Eine politische Biographie. Logos Verlag, Berlin 2014, 403 Seiten, 43,50 Euro