© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Siegesfeier mit Mißtönen
AfD: Nach ihrem Einzug in die Hamburger Bürgerschaft wärmt die Parteispitze den Streit um die Führungsstruktur wieder auf
Marcus Schmidt

Es ist ein eisernes Gesetz in Berlin. Wer für SPD oder CDU als Spitzenkandidat bei einer Landtagswahl antritt, erhält am Montag danach in der Parteizentrale einen Blumenstrauß. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Betreffende als Sieger vom Platz gegangen ist oder eine krachende Niederlage eingefahren hat. Anders bei der AfD. Hier werden keine Blumensträuße verteilt, sondern ein Staffelstab. Der jeweilige Spitzenkandidat übergibt diesen in der mittlerweile traditionellen AfD-Pressekonferenz zur Wahlnachlese im Haus der Bundespressekonferenz an den Spitzenkandidaten der nächsten Landtagswahl. Am Montag war es Hamburgs AfD-Chef Jörn Kruse, der dem Bremer AfD-Sprecher Christian Schäfer den blauen Stab überreichte.

Obwohl die AfD mit dem Einzug in die Hamburger Bürgerschaft den Sprung in den Westen geschafft und damit unter Beweis gestellt hat, daß sie „keine Ossi-Partei“ ist, wie es Parteivize Hans-Olaf Henkel im Wahlkampf formuliert hatte, war der versammelten Parteiführung nicht nur zum Feiern zumute.

Zwar wertete die AfD-Spitze den Erfolg vom Vorabend unisono als wichtiges Signal für die weitere Etablierung. „Wir haben gezeigt, daß wir auch mit landespolitischen Themen wahrgenommen werden“, sagte etwa AfD-Sprecher Bernd Lucke und verwies darauf, daß der Erfolg in Hamburg nach Sachsen, Brandenburg und Thüringen der vierte Einzug in ein Landesparlament in Folge gewesen sei.

Doch um die Qualität des Erfolges wurde vor den Berliner Hauptstadtkorrespondenten auf offener Bühne gestritten – zur Freude und zum Erstaunen mancher Journalisten. Während Kruse von einem „guten Ergebnis“ angesichts eines „relativ begrenzten Wählerpotentials“ sprach, äußerte sich AfD-Sprecherin Frauke Petry kritischer. „Ich persönlich denke, man hätte mehr schaffen können“, sagte sie mit einer verblüffenden Angriffslust. Dies sage sie aber aus der Entfernung, schränkte die sächsische AfD-Fraktions- und Landeschefin ein. Dennoch sei sie der Meinung, daß die gesamte thematische Breite der AfD von marktliberal bis konservativ hätte besser dargestellt werden müssen.

Sowohl Petry als auch ihr Kosprecher Konrad Adam, die beide dem konservativen Parteiflügel zugerechnet werden, waren vom Hamburger Landesverband nicht in den Wahlkampf einbezogen worden. AfD-Vizechef Alexander Gauland, der ebenfalls diesem Flügel angehört, war in Hamburg lediglich auf einer Wahlkampfveranstaltung aufgetreten. Statt dessen hatte die AfD in der Hansestadt eher auf Vertreter des liberalen Flügels wie Henkel sowie Parteichef Lucke gesetzt. Kruse bezeichnete es am Montag als einen Fehler, die drei konservativen Vorstandsmitglieder nicht stärker eingebunden zu haben.

Hinter diesem Schlagabtausch stecken die Nachwehen des wochenlangen Streits der Partei über die künftige Führungsstruktur, der erst vor knapp drei Wochen auf dem AfD-Parteitag in Bremen zugunsten der von Lucke favorisierten Einerspitze entschieden worden war. Intern soll Henkel, der wie kaum ein anderer in der Partei für den wirtschaftsliberalen Flügel der AfD steht, und der den Wahlkampf in Hamburg maßgeblich geprägt hatte, für den Fall, daß die Partei in seiner Heimatstadt an der Fünfprozenthürde scheitere, die Nationalkonservativen um Gauland und Petry als Schuldige benannt haben. Die Verärgerung über dieses Vorgehen wirkte bei den Betreffenden am Montag noch nach.

Der Bremer AfD-Spitzenkandidat Christian Schäfer, der sich im Mai den Wählern stellen muß, zog seine eigenen Schlüsse aus dieser Verstimmung. Für den anstehenden Wahlkampf kündigte er an, werde er die komplette Führungsspitze der Partei ohne Ausnahme in die Planung einbeziehen. Wohl in der Hoffnung, daß er am Montag nach der Wahl den Staffelstab ohne Mißtöne weitergeben kann.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen