© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Der Kunstliebhaber und die Schnipsel im Papierkorb
Kinderpornographie: Am Montag beginnt in Verden der Prozeß gegen Sebastian Edathy
Hinrich Rohbohm

Edathy muß nur mit einer geringen Strafe rechnen. Das hatte das Landgericht im niedersächsischen Verden bereits im Vorfeld des am kommenden Montag beginnenden Prozesses gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten angekündigt. Die Staatsanwaltschaft legt dem 45 Jahre alten Ex-Politiker Erwerb und Besitz von kinderpornographischem Material zur Last. Mit seinem Dienstlaptop soll er im November 2013 strafbares kinderpornographisches Material über den Server des Deutschen Bundestages aus dem Internet abgerufen haben. Bei einer Hausdurchsuchung waren zudem einschlägige Hefte sowie eine CD gefunden worden.

Edathy war ursprünglich durch die Operation „Spaten“ ins Visier der Ermittler geraten, eine 2010 angelaufene Polizeiaktion gegen Kinderporno-Händler, die sich auf über 50 Länder erstreckte. Unter anderem waren dabei kanadische Ermittler gegen den Versandhändler „Azov Films“ vorgegangen. Im Oktober 2011 hatte Interpol dem Bundeskriminalamt (BKA) eine 800 Namen umfassende Liste deutscher Kunden zugeleitet. Auf ihr tauchte auch der Name Sebastian Edathy auf. Der Politiker wurde offenbar rechtzeitig über die Erkenntnissen des BKA informiert.

Sicher ist, daß Edathy seinen Laptop als gestohlen meldete, er selbst setzte sich ins Ausland ab. Inzwischen befaßt sich ein Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages mit der Frage, wer Edathy gewarnt haben und somit Ermittlungsinterna an den Verdächtigen weitergeleitet haben könnte. Während der Fall Edathy in Berlin immer höhere Wellen schlägt und es nicht ausgeschlossen ist, daß hohe und höchste SPD-Funktionäre noch in den Abgrund gerissen werden, wird er in Verden nun starfrechtlich beleuchtet. Aufgrund der öffentlichen Bedeutung des Falles wird er vor dem Landgericht verhandelt.

In einem Interview mit dem Spiegel hatte Edathy noch vor einem Jahr versichert, er sei nicht pädophil. Und daß er Nacktbilder von Jungen erworben habe, sei legal. Niemand müsse daran Gefallen finden, man dürfe es aber, hatte er sich in dem Magazin gerechtfertigt. Schließlich habe der männliche Akt in der Kunstgeschichte eine lange Tradition, das gelte auch für den Kinder- und Jugendakt.

Doch inzwischen sind Inhalte der Ermittlungsakte gegen Edathy an die Öffentlichkeit geraten, die den Verdacht pädophiler Neigungen des Politikers erhärten. Demnach sollen keine Zweifel darüber bestehen, daß sich der einstige „Kampf gegen Rechts“-Experte unter anderem häufig von seinem Laptop kinderpornographische Fotos und Videos angesehen habe. Dabei soll der Politiker ausgesprochen vorsichtig und konspirativ vorgegangen sein. So habe er etwa einen Anonymisierungsdienst genutzt, um sich unerkannt auf einschlägigen kinderpornographischen Seiten bewegen zu können.

Zwischen November 2013 und Februar 2014 soll er im Internet etwa nach den Stichwörtern „Spongebob mißhandelt Jungen“ und „scooby do childporn“ gegoogelt haben. Auf einer russischen Netzseite habe er sich paßwortgeschützte Fotos mit Titeln wie „Victor6yo“ oder „Julian6yo“ angesehen. Daß „yo“ stehe dabei höchstwahrscheinlich für „six year old“.

In Edathys Wohnung im niedersächsischen Rehburg hätten die Ermittler auch Material aus dem Jahr 2010 entdeckt, in dem sexuelle Beziehungen zwischen einem Vater und seinem Sohn beschrieben seien. In weiteren Titeln schwärme ein Mann über sexuelle Erlebnisse mit seinem zwölfjährigen Neffen. Ein anderer handelt davon, wie ein Neunjähriger über Sex mit seinem 14 Jahre alten Bruder spricht.

Anwalt reagiert empört auf Leck bei den Behörden

Aus Papierschnipseln, die sich in einem Mülleimer in Edathys Wohnung befanden und die die Ermittler wieder zusammensetzen konnten, gingen Ausdrucke sowie handschriftliche Notizen Edathys hervor, die genaue Beschreibungen darüber enthielten, wie ein Kind sexuell mißbraucht werde. Der Anwalt des Ex-Politikers reagierte empört auf das Leck bei den Ermittlungsbehörden.

Das Medieninteresse an dem Prozeß ist jedenfalls riesengroß. Längst nicht alle Journalisten haben vom Verdener Landgericht eine Akkreditierung erhalten. Sollte Edathy weiter von seiner Unschuld überzeugt sein, dürfte sich die Verhandlung wohl bis in den Frühling hinziehen. Entsprechende Verhandlungstermine sind jedenfalls bereits angesetzt. aber kein Grund zur Sorge: „Ich werde mich nicht ändern.“

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