© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

„Mit Allahs Hilfe werden wir Rom erobern“
Libyen: Der Massenmord an 21 Kopten durch den Islamischen Staat setzt Ägypten unter Zugzwang und Italien unter Druck
Marc Zoellner

Kaum sechs Stunden sollten vergehen, bis Ägypten zum Gegenschlag ausholte. Kampfflugzeuge überquerten die Grenze zum benachbarten Libyen, bombardierten Munitions- und Ausbildungslager und töteten ägyptischen Quellen zufolge bis zu fünf Dutzend Islamisten. „Unsere Rache ist auf dem Weg“, titelte gleichzeitig die staatliche Tageszeitung Al-Akhbar, und ein Militärsprecher verkündete, es sei „die Pflicht der Armee, ägyptisches Blut zu rächen“.

Auslöser des nationalen Schocks war die Veröffentlichung eines neueren Propagandavideos der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS), welches die Massenhinrichtung von 21 aus dem oberägyptischen Dorf Al-Our stammenden koptischen Gastarbeitern zeigt. Im vergangenen Dezember waren diese in der libyschen Provinz Sirte verschleppt worden.

Dort hatten Extremisten zuletzt ein Wilaya ausgerufen, eine islamische Provinz, und zugleich der syrisch-irakischen IS die Treue geschworen. Neben den lokalen Rundfunk- und Fernsehanstalten Sirtes kontrolliert die islamistische Splittergruppe mittlerweile nicht nur die für Libyen lebensnotwendige Fernverkehrsstraße am Mittelmeer, den Verbindungsweg zwischen Tripolis im Westen und Bengasi im Osten des Landes.

In seinem neuesten Video verkündete der libysche IS noch weit größere Pläne.„Wir werden das Meer, in welchem ihr Osama Bin Ladens Leiche versenkt habt, mit eurem Blut tränken“, droht dort der Sprecher unverhohlen mit Massakerphotos: „Mit Allahs Erlaubnis werden wir selbst Rom erobern.“

Italien reagierte prompt auf die Drohungen. Bereits am vergangenen Freitag warnte der italienische Außenminister Paolo Gentiloni vor der „Gefahr durch die Situation in Libyen, das sich nur 200 Seemeilen entfernt befindet“. Samstag schloß die Republik ihre Botschaft in Tripolis. Gleichzeitig appellierte der Minister an die Vereinten Nationen: „Wir können nicht gelten lassen, daß sich eine aktive terroristische Bedrohung nur wenige Bootsstunden von Italien entfernt breitmacht“, erklärte Gentiloni. Die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs durch den Islamischen Staat dürfe nicht unterschätzt werden, so der italienische Außenminister. Sein Staat sei „bereit zu kämpfen; natürlich im Kontext eines internationalen Auftrags.“

Für Angelino Alfano war dieser Schritt noch nicht weit genug. „Für die Zukunft der westlichen Welt“ müsse die Nato erneut in Libyen eingreifen, forderte der italienische Innenminister im Interview mit der Tageszeitung La Repubblica. „Der IS steht vor der Tür“, so Alfano mit Verweis auf den labilen nordafrikanischen Nachbarstaat. „Es gilt, keine Zeit mehr zu verschwenden.“

Seit dem Sturz von Muammar al-Gaddafi im Herbst 2011 ist Libyen de facto zum „failed state“ kollabiert. Gegen die machtlose Regierung in Tripolis etablierte sich eine islamistisch geprägte Gegenregierung, welche mittlerweile auch das Gros der Hauptstadt kontrollieren soll. Immer wieder schleusen sich aus Syrien heimkehrende Dschihadisten ungehindert ins Land.

Im Kampf gegen den Islamischen Staat hatten die Vereinigten Arabischen Emirate deshalb bereits im August 2014 an der ägyptisch-libyschen Grenze eine Schwadron F16 Desert Falcons stationiert, von wo aus sie gemeinsam mit ihren Kairoer Verbündeten Luftangriffe gegen Stellungen der Radikalislamisten flogen.

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