© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Ein bayerischer Löwe
Der Politikwissenschaftler Konrad Löw blickt auf sein kämpferisches Wirken gegen den kommunistischen Ungeist und historische Ignoranz zurück
Harald Seubert

Der renommierte Jurist und Politikwissenschaftler Konrad Löw hat seine Autobiographie vorgelegt. Sie ist das Zeugnis eines Lebens „in Verantwortung vor Gott und den Menschen“; erstaunlich frei von Eitelkeiten und erst recht von Ideologien, die den Blick immer trüben. Löw, Jahrgang 1931, erzählt zunächst in knappen Kapiteln sein eigenes Leben: von den Münchner Wurzeln in einer katholischen Familie, in der es keine Konzessionen an das NS-Regime gab, bis zu seiner eigenen Familie – Löw ist seit über fünfzig Jahren verheiratet und fünffacher Vater – sowie seiner Zeit als Hochschullehrer.

Drei große Herausforderungen hebt Löw dann hervor, die ihm in seinem Leben begegneten, die er aufnahm und die sein Profil schärften. Zunächst den Marxismus und die DDR. Im Zug seiner Lehrtätigkeit hatte er über beides seit den sechziger Jahren zu lehren. Je mehr er sich in die Originalschriften von Marx und Engels vertiefte, um so stärker entzauberte sich der Marxsche Mythos. Von den Folgen im „real existierenden Sozialismus“ konnte sich Löw schon in der Zeit der bipolaren Konfrontation in Prag und der DDR überzeugen. Freundschaftliche Kontakte mit ehemaligen aufrechten Gegnern des Regimes wie Siegmar Faust halten bis heute an. Ebenso konstant ist Löws entschiedener Ein- und Widerspruch gegen Beschöniger wie den just verstorbenen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der Marx’ Sprache neben der Sprache von Luther, Hölderlin und Thomas Mann genannt hatte.

Die zweite Herausforderung sieht er in der Kampagne, die aufgrund von Vorträgen vor der antikommunistischen Moon-Sekte gegen ihn losgetreten wurde. Man kann zu den „Moonies“ stehen wie man will: Löws Unnachgiebigkeit ist auch auf diesem Sektor vor allem ein Plädoyer gegen Hysterie, für Meinungs- und Glaubensfreiheit, und es ist das Zeugnis eines gläubigen Katholiken und als solches bemerkenswert.

Das große Thema Löws in den vergangenen Jahren, die dritte Herausforderung, gilt der differenzierten Beschreibung des Verhaltens von Deutschen und Juden in der NS-Zeit. Man versteht nach diesem Rechenschaftsbericht noch besser, daß es Löw auch in Erinnerung an die Anständigkeit, die sein Vater an den Tag gelegt hatte, darum ging, diese Geschichte zu dokumentieren. Dies hat er mit bewundernswerter Gründlichkeit getan: Es geht ihm nicht um einen Revisionismus irgendwelcher Art, sondern um historische Wahrheit. Gerade namhafte jüdische Freunde haben ihm dafür ihre hohe Anerkennung gezollt: pars pro toto ist Alfred Grosser zu nennen, auf den auch der Titel der Autobiographie zurückgeht. Löw dokumentiert präzise die Angriffe, denen er ausgesetzt war: ein wenig erfreulicher Spiegel der Art, wie hierzulande öffentliche Meinung „gemacht“ wird, aber zugleich ein Zeugnis, wie man mit aufrechtem Gang und einem gehörigen Grad bajuwarischer Dickschädligkeit die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit einfordern kann.

Löws vorläufiges Fazit ist illusionslos. Hat er Erfolge erzielt, überwiegt der Mißerfolg? Nicht immer haben sich Anstand und Rechtsstaatlichkeit bewährt. Durchbrüche, die die Meinungsbildung nachhaltig veränderten, kann er ehrlicherweise nicht verbuchen. Doch dies ist keineswegs Grund zur Bitterkeit. Löw schließt mit der Trias des Paulus: Liebe, Glaube, Hoffnung – mit tiefer Lebensdankbarkeit und der Zusicherung, weiter gegen Ignoranz, Gleichgültigkeit und Feigheit einzustehen. Ein beachtliches Buch und ein noch beachtlicheres Leben. Wir brauchten mehr „bayerische Löwen“ dieser Art.

 

Prof. Dr. Harald Seubert lehrt Philosophie und Religionswissenschaft an der STH Basel und der Hochschule für Politik in München.

Konrad Löw: „Laßt uns trotzdem weiterkämpfen!“ Eine Autobiographie. Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2015, broschiert, 302 Seiten, 18 Euro

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