© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Dem Erdreich geht es nicht gut
Impressionen zum Internationalen Jahr des Bodens 2015: Flächenfraß hier, Vergiftung dort
Dieter Menke

Ein Fünftel der Ackerfläche Chinas, 26 Millionen von 133 Millionen Hektar, ist mit Schadstoffen verseucht. Eine aufschreckende Zahl, die nicht etwa von apokalyptisch gestimmten Naturschützern stammt, sondern aus dem Pekinger Umweltministerium und dem Ministerium für Land und Ressourcen.

Als wichtigste Urheber der Kontaminierung gelten Industriezweige wie Chemie, Bergbau und Hüttenwesen. Dazu kommen die Industrie- und städtischen Abwässer sowie die Landwirtschaft, die mit Kunstdüngern, Pestiziden und Massentierhaltung zur Bodenverschmutzung am meisten beitragen. In ganz China erlitten, so berichtet die Pekinger Journalistin Liu Hongqiao (Welt-Sichten, 12/14-1/15), Millionen von Menschen die gesundheitlichen Konsequenzen einer ökologisch verheerenden Wachstumspolitik der Kommunistischen Partei (KP).

Schwermetalle sitzen den Chinesen in den Knochen

Die toxischen Auswirkungen von Cadmium, Quecksilber, Arsen, Kupfer, Nickel und Blei stecken großen Teilen der Landbevölkerung buchstäblich in den Knochen, weil sie mit dem Verzehr ihrer Feldfrüchte Selbstmord auf Raten begehen. 2009 nahmen Toxikologen der Pekinger Akademie der Wissenschaften Proben von einhundert Reisfeldern in der Region Hunan, die alle in der Nähe von Bergwerken lagen. Bei zwei Drittel der Proben war der Cadmiumgrenzwert überschritten. Kein Wunder, daß kontaminierter Reis immer wieder seinen Weg in den nationalen Nahrungsmittelvertrieb findet.

Das wahre Ausmaß der Bodenvergiftung in China werde erst allmählich klar. Seit 2014 reagiere die KP-Führung endlich auf die „Bodenkrise“. 30 Milliarden Yuan seien im 12. Fünfjahresplan zum nationalen Umwelt- und Bodenschutz für die Bodensanierung reserviert. Nun schössen Umweltsanierungsunternehmen ins Kraut, doch Umfang und Intensität der Verseuchung stimmen skeptisch, ob die komplizierten, langwierigen und teuren Sanierungsmethoden gegen die Bedrohung etwas ausrichten können.

So schlimm steht es beim deutschen Umwelt-Klassenprimus zum Internationalen Jahr des Bodens 2015 nicht einmal ansatzweise. Doch auch bei uns steht es mit dem Boden nicht zum besten. Denn jeden Tag verschwinden in der Bundesrepublik 100 Fußballfelder fruchtbaren Bodens unter Beton. Schreite die Versiegelung in dem Tempo voran, drohten, so warnt Gesine Kauffmann unter Berufung auf wissenschaftliche Untersuchungen, bald hohe Einbußen in der Lebensmittelproduktion (Welt-Sichten, 12/14-1/15). Dieser Landhunger könne für China, Indien und Nigeria angesichts rasant wachsender Bevölkerungszahlen vielleicht einleuchten. In Deutschland hingegen sinke die Einwohnerzahl, und trotzdem verschwänden Äcker, Wiesen und Weiden. Immer weiter fressen sich Städte wie Berlin und Frankfurt ins Umland hinein, obwohl 165.000 Hektar an Brachflächen und Baulücken für neue Gebäude und Straßen zur Verfügung stünden.

Um den Flächenfraß einzudämmen, hatte sich bereits die rot-grüne Bundesregierung die Forderung des Rates für nachhaltige Entwicklung zu eigen gemacht, bis 2020 lediglich 30 Hektar täglich zu versiegeln. Von 2009 bis 2012 waren es aber stets 74 Hektar, die vielzitierten „100 Fußballfelder“. 2013 und 2014 wurden nur unwesentlich weniger verbraucht. Nun ist das 30-Hektar-Ziel in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie verankert, und es steht seit 2013 sogar im Koalitionsvertrag der Merkel/Gabriel-Regierung. Gleichzeitig fordert das novellierte Baugesetzbuch von Planern den Nachweis, daß sie ihre Projekte nicht auch innerstädtisch realisieren können. Impulse für das „notwendige Umsteuern“ erhofft man sich überdies von einer avisierten Reform der Grundsteuer, nachdem 2005 der Bund die Eigenheimzulage gestrichen hat. Die Steuerreform werde das Bauen auf der grünen Wiese nun verteuern und die Zersiedlung begrenzen. Umweltschutzverbänden reicht dies für einen kräftigen „Flächenspareffekt“ nicht aus. Es fehle ein politischer Aktionsrahmen und eine Entscheidungskultur, die das Flächensparen zur Normalität mache. Einen Bewußtseinswandel in dieser Richtung glaube man im Umweltbundesamt allerdings schon heute zu registrieren.

Foto: Neubaugebiet im thüringischen Suhl: Jeden Tag verschwindet in Deutschland Boden in der Größe von 100 Fußballfeldern unter Asphalt

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