© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Weil Kleinvieh auch Mist macht
Haushaltsgeräte: Die neuen EU-Staubsauger-Richtlinien sind eine Ausgeburt Brüsseler Bürokratie / Grenzwert bei 1.600 Watt
Christoph Keller

Das mit drei Dezimalstellen angegebene Verhältnis der Masse des abgesaugten künstlichen Staubes, die bei Teppichen anhand der Massenzunahme des Gerätestaubbehälters und bei harten Böden anhand der Massenabnahme der Prüfritze bestimmt wird, zur Masse des ursprünglich auf die Prüffläche aufgebrachten Staubes nach einer bestimmten Anzahl von Doppelstrichen der Saugdüse ...“ Genug!

Solche Prosa kann zwar durchaus witzig wirken, etwa im Kontext einer aufgefrischten Version von Loriots Sketch mit dem konfusen Staubsauger-Vertreter der Firma Heinzelmann. Aber bei den neuen EU-Staubsauger-Richtlinien, aus denen diese Zeilen stammen, ist Komik eher unbeabsichtigt. Mit Bierernst scheint die regelungswütige Brüsseler Bürokratie hier vielmehr ihren Kurs fortzusetzen, den sie mit satireträchtigen Bestimmungen über Treckersitze und Gurkenkrümmungsgrade einschlug.

Mit Bierernst nichts weniger als den Planeten retten

Daß die Staubsauger-Richtlinien „durchaus humoristisches Potential“ enthalten, will auch Henrike Wiemker in ihrem Bericht über Hintergründe dieses vermeintlichen Kuriosums nicht bestreiten (Natur, 1/15). Ihr Sinn für Fairneß versteht die Regelungen, die inzwischen 27 Gerätegruppen betreffen und 2015 auch vorgeben werden, wie energieeffiziente Kaffeemaschinen zu produzieren sind, als Ausgeburt eines Plans, bei dem es um nicht weniger geht als um „die Rettung unseres Planeten“.

Zunächst soll Europas Energieverbrauch bis 2020 im Vergleich mit 2005 um 20 Prozent sinken. Und da Kleinvieh auch Mist macht, setzt man bei Haushaltsgeräten an. Geschehe da nichts, schätzt eine EU-Prognose den Stromverbrauch allein fürs Staubsaugen 2030 auf 34 Terawattstunden – soviel Strom wie 2013 alle deutschen Photovoltaikanlagen zusammen lieferten.

Natürlich bleibt „Heinzelmann“-Qualität unerreichbar, und derzeit herrscht „Chaos bei den Effizienzklassen“ der neuen Öko-Sauger, die den Grenzwert von 1.600 Watt nicht mehr überschreiten dürfen. Gleichwohl, meint Henrike Wiemker, wachse die Zustimmung bei Verbraucherschützern und Konsumenten. Einerseits weil man den rationalen Kern der Brüsseler Umweltpolitik akzeptiere. Andererseits weil die energiesparende Umrüstung von Staubsaugern, Wäschetrocknern und Kühlschränken sich zusehends in moderaten Stromrechnungen niederschlage.

www.natur.de

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