© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/15 / 20. Februar 2015

Knapp daneben
Liquidität zeugt von Ideenlosigkeit
Karl Heinzen

Als Chefcontroller des Rohstoffhändlers Scoular wußte Keith McMurtry mit Zahlen umzugehen. Sechs Milliarden Dollar setzt das amerikanische Unternehmen mit seinen knapp 800 Angestellten jährlich um. Da galt es für ihn schon, genau hinzusehen, damit auch alles mit rechten Dingen zuginge. Doch McMurtry war nicht nur wachsam, sondern auch verschwiegen. Dies wurde ihm zum Verhängnis. Hatte nicht sein oberster Boß die Bemerkung fallenlassen, daß möglicherweise eine spektakuläre Akquisition in China anstünde? Und war nicht durch die Blume herauszuhören gewesen, daß man in aller Heimlichkeit vorgehen müßte?

McMurtry fühlte sich daher nicht irritiert, sondern geehrt, als ihn eine mit dem Namen seines Chefs unterzeichnete E-Mail dazu aufforderte, 780.000 Dollar auf ein Konto bei einer chinesischen Bank zu überweisen.

Die Transaktion sei so vertraulich, daß man nicht die Accounts des eigenen Unternehmens nutzen könne.

Auch für die ihm unbekannte Absenderadresse fand sich eine Erklärung. Die Transaktion, so belehrte ihn sein „Boß“, sei so vertraulich, daß man nicht die Accounts des eigenen Unternehmens nutzen könne – und natürlich auch niemanden aus diesem einweihen dürfe. Als ihn dann auch noch ein „externer Rechnungsprüfer“ kontaktierte, waren alle Dämme gebrochen. McMurtry überwies nicht nur die erste, sondern auch zwei weitere Tranchen. Insgesamt 17,2 Millionen Dollar wechselten auf diese Weise den Besitzer.

Heute muß McMurtry nicht befürchten, jemals wieder in eine Position zu gelangen, in der ihm ein solches Malheur unterlaufen kann. Ein schlechtes Gewissen braucht er aber nicht zu haben. Das Geld, das er überwies, ist für die Weltwirtschaft nicht verloren. In einem Land, das so boomt wie China, ist es vielleicht sogar besser aufgehoben als in den vor sich hin dümpelnden USA. Unternehmen mit hoher Liquidität sind in Zeiten negativer Zinsen längst keine Vorbilder mehr. Sie setzen sich vielmehr dem Verdacht aus, daß ihnen die Ideen ausgegangen sind. Dies läßt sich von der Organisierten Kriminalität nicht sagen. Sie sprudelt vor Kreativität und wagt Investitionen, die konservativen, nur auf Sicherheit bedachten Anlegern nie in den Sinn kämen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen