© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/15 / 27. Februar 2015

Ein kaum verschlüsseltes Angebot
Kinderpornographie: Im Prozeß gegen Edathy deutet alles auf eine Einstellung hin
Hinrich Rohbohm

Keine Miene verzieht Sebastian Edathy, als er am Montag morgen Saal 104 des Landgerichts Verden betritt. Er erscheint in hellgrauem Anzug und weißem Hemd, trägt dazu eine blau-violette Krawatte. Äußerlich ruhig läßt er zum Prozeßauftakt das Blitzlichtgewitter über sich ergehen. Lediglich die Art, wie sich seine Hände an seinen kleinen schwarzen Terminkalender klammern, verrät seine Anspannung.

Dem 45 Jahre alten ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten wird zur Last gelegt, sich kinderpornographisches Material angeeignet und besessen zu haben. Im Vorfeld der Verhandlung hatte der Politiker jegliches Fehlverhalten von sich gewiesen und erklärt, er sei nicht pädophil. Daß er Nacktbilder von Jungen erworben habe, sei legal. Man müsse daran keinen Gefallen finden, man dürfe es aber, hatte er sich gerechtfertigt. Schließlich habe der männliche Akt in der Kunstgeschichte eine lange Tradition, das gelte auch für den Kinder- und Jugendakt.

Als der Vorsitzende Richter Jürgen Seifert ihn nach seiner ladungsfähigen Anschrift fragt, gibt Edathy lediglich Berlin an. Er spricht leise, sagt, daß er die genaue Anschrift in der Öffentlichkeit nicht nennen möchte. Diese sei jedoch von seinem Anwalt Christian Noll bei Bedarf zu erfahren. Dieser versucht, eine Einstellung des Verfahrens zu erwirken. Gleich zu Beginn der Verhandlung verliest Noll eine Erklärung. „In dem Verfahren ist etwas aus dem Lot geraten“, beginnt er und spricht die Ermittlungsakten des Landeskriminalamts an, die noch vor dem Prozeß öffentlich geworden waren. „Die Befeuerung des Falles durch die Medien hat zu einer Vorverurteilung meines Mandanten geführt“, argumentiert Noll, der betont, daß auch für seinen Mandanten die Unschuldsvermutung gelte. Es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens vor.

Sein Mandant habe seinen Beruf und sein Ansehen verloren. Freunde hätten sich von ihm abgewandt, über 100 Morddrohungen habe Edathy erhalten. Auf Facebook sei er Schmähungen unterzogen worden, Aufforderungen wie „auspeitschen“, „häuten“, „abknallen“ oder es doch so zu machen wie Uwe Barschel seien dort gefallen. Restaurantbesuche oder Bahnfahrten seien für den Angeklagten nicht mehr ohne weiteres möglich. Noll: „Die Brandmarkung wird für den Rest seines Lebens Bestand haben.“

Er will verhindern, daß es um Details geht

Fast könnte man meinen, Edathy wäre mehr Opfer als mutmaßlicher Täter. Mit eiskaltem Blick verfolgt er das Prozeßgeschehen, während er gelegentlich mit der Hand über seinen Ring streicht, den der ledige Politiker an seinem linken Mittelfinger trägt. Kein Wort der Reue oder des Bedauerns, noch sonst irgendeine Äußerung von Edathy selbst zum Fall. Ein Verhalten, das Oberstaatsanwalt Thomas Klinge moniert. „Der Angeklagte hat sich bisher immer nach dem Motto geäußert: Wieso, was wollt ihr denn eigentlich?“ Dabei handele es sich bei dem anklagerelevanten Bildmaterial „nicht um Fotos im Randbereich, sondern um eindeutig kinderpornographische Bilder“. „So kann es nicht gehen, ich werde einer Einstellung des Verfahrens nicht zustimmen“, betont der Anklagevertreter.

„Mein Mandant hat bis jetzt noch gar nichts gesagt“, erwidert Noll, der ein nichtöffentliches Rechtsgespräch im Hinterzimmer vorschlägt. Richter Jürgen Seifert läßt ihn abblitzen, lehnt ein Hinterzimmergespräch ab. „Das ist hier keine Talkshow“, mahnt er zudem Ankläger und Verteidiger, zum Punkt zu kommen. Und der liegt darin, daß sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung sich mit einer Verfahrenseinstellung anfreunden könnten. Aber: „Da brauche ich von Ihnen erst mal ein Zeichen, daß da auch was kommt. Bisher habe ich nur Gemauer gehört“, sagt Klinge. Will heißen: Soll eine Verfahrens-einstellung gegen Zahlung einer mittleren vierstelligen Summe auch den Segen der Staatsanwaltschaft bekommen, dann muß Edathy seine Schuld eingestehen.

„Ich möchte da nicht irgendeine Wischiwaschi-Verteidiger-Erklärung haben“, macht Klinge klar. Gelächter bei Sebastian Edathy. „Da brauchen Sie nicht zu lachen“, rüffelt der Oberstaatsanwalt. „Wer garantiert uns denn, daß das Verfahren auch wirklich eingestellt wird, wenn mein Mandant eine Einlassung macht“, fragt Noll. Und erhält von Klinge lächelnd die Zusicherung auf ein faires Verfahren. Auch der Anwalt beginnt zu lächeln, die kaum verschlüsselte Botschaft ist angekommen: Räumt Edathy die Taten ein, dürfte das Verfahren gegen Zahlung einer Geldsumme eingestellt werden.

Bleibt die Frage, ob sein Mandant auf diesen Deal eingehen wird. Sein Anwalt dürfte ihm dazu raten. Für den Ex-Politiker Edathy hätte die Sache einen Haken. Er stünde als Lügner da. Die Alternative wäre für Edathy jedoch ebenfalls ungemütlich. Die Prozeßbeteiligten würden sich mit den Details der ihm zur Last gelegten Taten befassen. Genau das aber will Edathy unter allen Umständen verhindern. Wie sich der Beschuldigte entscheidet, zeigt sich bereits am kommenden Montag, wenn der Prozeß fortgesetzt wird.

Foto: Sebastian Edathy vor Gericht: „Sie brauchen nicht zu lachen“

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