© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/15 / 27. Februar 2015

Das Netz beseitigt traditionelle Barrieren
Rezension: Henning Lindhoffs „Freiheitskeime“ stehen 2015 im Zeichen der Share Economy, die alte Vorgaben obsolet macht
Alexander Bagus

Freiheit – hat sie einmal Wurzeln geschlagen – ist eine Pflanze die sehr schnell wächst“, sagte George Washington. Damit sie aber wachsen kann, muß sie jedoch erst gesät werden. Dem hat sich Henning Lindhoff seit drei Jahren verschrieben. Seine „Freiheitskeime 2015“ sind der vierte Band einer hoffentlich länger werdenden Reihe freiheitlich-libertärer Lesebücher.

Für den stellvertretenden Chefredakteur des Magazins eigentümlich frei sind sie „Initialfunken der Freiheit und Individualität“, ja „Leuchtfeuer gegen jede Form des Kollektivismus“. Entzündet werden sie von 30 weiteren Autoren und ihm selbst. Dazu zählen der US-Kongreßabgeordnete Ron Paul, André F. Lichtschlag oder Carlos A. Gebauer, doch auch in Deutschland eher unbekannte Autoren kommen zu Wort.

Inhaltlich strecken sich die Beiträge von Bildung über Ebola und Geschlechterfragen bis hin zu wirtschaftlichen Zusammenhängen. Gerade bei letzterem kann ein Schwerpunkt des Buches ausgemacht werden. Erhellend sind vor allem die Beiträge von Lindhoff, Jeffrey Tucker (Vizepräsident des Ludwig von Mises-Instituts) und Ralph Bärligea. Alle drei beleuchten jeweils eine andere Facette eines recht jungen Phänomens, der „Share Economy“, also der Ökonomie des Teilens. Firmengründungen wie Uber (als Taxi-Alternative), Airbnb (als Hotelersatz) und viele andere zählen dazu.

Neue Netzwerke unter Gleichrangigen

Lindhoff zeigt auf, wie diese Unternehmen mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf den Zeitgeist schielen und sich unter anderem als „nachhaltig“ oder „gemeinwohlfördernd“ darstellen. Das alles ziehe erst einmal „grüne und rote Marktskeptiker“ an, und mancher sieht schon das kapitalistische Zeitalter an seinem Ende. Der treibende Motor der Share Economy ist das Internet, das Unternehmen und Anbietern den direkten Dialog über physische Grenzen hinweg ermöglicht. „Und es birgt Potential, vorhandenen staatlichen Strukturen zur Bedeutungslosigkeit zu verhelfen“, ist Lindhoffs Auffassung. Am Beispiel des Taxigewerbes und der Hotelbranche führt Lindhoff vor, wie staatliche Hürden den Wettbewerb quasi aushebeln. Auf den Punkt gebracht: „Share Economy ist schlicht Marktwirtschaft“ – der Rest ist nur Folklore.

Tucker teilt diese Sicht, nennt das Phänomen aber „Peer-to-Peer-Revolution“ (von englisch „peer“: Ebenbürtiger, Gleichrangiger). Diese sieht er als das Beispiel einer spontan entstehenden Ordnung, ohne daß daran Staaten oder Gesetzgeber mitgewirkt hätten. Die entstehenden Netzwerke unter Gleichrangigen sieht er als Innovation an. Und wenn eine solche „so dramatisch unser Leben verbessert, dann verändert sie den Lauf der Geschichte. Das ist, was zu unserer Zeit gerade geschieht.“ Diese Netzwerke bieten nämlich Milliarden Menschen auf dem Planeten die Option zur Integration in die weltweite Arbeitsteilung, indem (staatliche) Barrieren beseitigt werden. Neben Uber und Airbnb seien inzwischen Gesundheitsdienstleistungen auf gleicher Weise am Entstehen – ohne Zwischeninstanzen und Drittparteien. Das könne aus Tuckers Sicht so weit gehen, daß jeder Bereich sukzessive entstaatlicht wird, sogar die Polizei. Am Ende würde „ein im Kundenservice verankertes System“ anstelle des bisher steuerfinanzierten stehen.

Der dritte Beitrag zur „Share Economy“ dreht sich um die digitale Privatwährung Bitcoins. Bärligea zeigt am fünfphasigen „Hype-Zyklus“ auf, welche Phasen diese Währung schon durchlaufen hat, in welcher Phase sie sich befindet und wohin die Reise noch gehen kann. Inwieweit die Etablierung digitaler Währungen als „allgemein anerkanntes und gängiges Zahlungsmittel“ wahrscheinlich ist, legt der Passauer Masterstudent dann im Vergleich zur Entstehung von Gold als Zahlungsmittel dar.

Die Schwierigkeiten, aber auch Potentiale werden dabei nicht ausgeblendet. Bärligea ist sich auf jeden Fall sicher, „daß am Ende sich digitale Währungen durchsetzen werden“. Ein weiterer Beitrag mit ökonomischer Ausrichtung stammt von Marc Bettinger. Er kommt zu dem Schluß, daß das Papiergeldsystem scheitern muß – „trotz aller Brems- und Umkehrversuche“. Entscheidend sei es nun, „einen Neustart unter alten Bedingungen zu verhindern“.

Interessant wird es, wenn der Jurist Gebauer die Amtshaftung für Politiker fordert und der Fondsmanager Ronald-Peter Stöferle Inflation, Deflation sowie die momentanen Tendenzen grundlegend darstellt. Hier hätte der Leser sich jedoch zur Verdeutlichung die eine oder andere Tabelle oder Grafik gewünscht.

Erhellend sind zudem die im sozialistischen Kuba gesammelten Erfahrungen eines Alfredo Pascual, unterhaltsam die launigen Auslassungen über den Kampf der Geschlechter von der früheren Chefin der Partei der Vernunft (PDV), Susanne Kablitz, die kürzlich die Gründung eines neuen „Liberalen Instituts“ verkündet hat. Insgesamt laden die locker geschriebenen Texte zum Nachdenken und Diskutieren ein. Ob der Leser dabei so weit gehen muß wie Tucker oder die optimistische Grundhaltung von Bärligea teilen wird, steht auf einem anderen Blatt Papier.

Henning Lindhoff (Hrsg.): Freiheitskeime 2015 – ein libertäres Lesebuch. CreateSpace.com-Verlag, North Charleston 2014, broschiert, 279 Seiten, 9,90 Euro

Foto: Wartende Taxen: Der milliardenschwere US-Fahrgastvermittlungsdienst Uber stemmt sich gegen staatliche Hürden in der Personenbeförderung

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