© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/15 / 27. Februar 2015

Es gibt kein Patentrezept gegen Diebstahl
Inventurdifferenzen: Vier Milliarden Euro Verlust hat der Einzelhandel pro Jahr zu verzeichnen / Neben Kunden stehen auch die Mitarbeiter im Verdacht
Tobias Dahlbrügge

Zum Jahreswechsel hat der deutsche Handel Inventur gemacht. Trauriges Ergebnis: insgesamt über vier Milliarden Euro Fehlbeträge, also Schwund durch Diebstahl. Dabei wird jährlich über eine Milliarde für Diebstahlprävention ausgegeben. Insgesamt machen die Inventurdifferenzen im Mittel zwar nur ein Prozent des Nettoumsatzes aus, doch gemessen am einzelnen Betriebsergebnis kann der Schaden bis zur Hälfte des Gewinns betragen. Das meldet das Franchise-Fachmagazin For Systems in seiner aktuellen Ausgabe. Der Kölner Einzelhandelsverband EHI wird im Juni dazu detaillierte Zahlen veröffentlichen.

Da die Aufdeckungsquote unter fünf Prozent liegt, kann über die Verteilung der Täterschaften unter Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten und Lageristen nur spekuliert werden. Im Einzelhandel werden die Langfinger zu etwa einem Viertel unter den Mitarbeitern vermutet. Oft sind es gerade jene Kollegen, von denen „es niemand gedacht hätte“.

Detektive durchstöbern das Netz nach Hehlerware

Dabei werden bis zu 80 Prozent der Inventurdifferenzen durch wenige, aber wertvolle Artikel verursacht. Im Lebensmittelhandel sind es Kosmetik und Spirituosen, im Textilhandel teure Markenartikel und -accessoires, im Elektronikhandel Speichermedien und Mobiltelefone.

Experten raten den Händlern, bei solchen Warengruppen die Spur gemeinsam mit Handel und Lieferanten aufzunehmen. Das Internet hilft beim Verkaufen der Hehlerware, aber auch beim Identifizieren der Diebe: So spüren Inventurdienstleister Fehlbestände bei Ebay und Co. wieder auf. Außerdem bietet das Speichern von Daten in einem entfernten Rechenzentrum (Cloud-Lösungen) die Möglichkeit häufigerer Stichproben-Inventuren. Dabei steht die Bestandsabweichung im Fokus. Zudem senkt er die Inventurkosten.

Vorsicht ist bei der betrieblichen Videoüberwachung geboten. Das Bundesdatenschutzgesetz erlaubt zwar etwa die Aufzeichnung im Kassen- und Warenbereich, nicht aber das Filmen von Gästen im Sitzbereich. Überwachungsbereiche müssen zudem durch Schilder deutlich kenntlich gemacht werden. „Ganz verhindern werden Sie Diebstähle nie“, zitiert n-tv den Betrugsexperten Stefan Heißner von Ernst & Young. „Je mehr Sie machen, desto mehr zeigen Sie den Mitarbeitern, daß Sie ihnen nicht vertrauen.“

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