© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/15 / 27. Februar 2015

Jeder blamiert sich, so gut er kann
Debatte um Pegida: Durs Grünbein und Peter Schneider hätten Karl May besser mal genauer lesen sollen
Richard Stoltz

Die recht bösartige Attacke des Dichters Durs Grünbein in der Zeit auf die Dresdener Pegida-Demonstranten hat verdienten Widerspruch ausgelöst (JF 20/15), nicht nur bei Pegida-Anhängern selbst, sondern beispielsweise auch bei Lesern und Fans von Karl May. Dessen Abenteuerheld Kara Ben Nemsi wird von Grünbein gegen die Dresdener ins Feld geführt, nur weil er in nahöstlichen Gefilden unterwegs war (siehe die Bände „Durch die Wüste“, „Durchs wilde Kurdistan“ und „Von Bagdad nach Stambuj“) und gerne Wasserpfeife rauchte.

An Kara Ben Nemsi und seiner Weltoffenheit, so der Lyriker, sollten sich die Pegida-Leute gefälligst ein Vorbild nehmen; schließlich liege das Karl-May-Museum in Radebeul, also direkt vor den Toren Dresdens. Nun melden sich empörte Grünbein-Kritiker und sagen, Kara Ben Nemsi sei doch ein eifriger christlicher Glaubensheld, den sein Diener und Weggefährte Hadschi Halef Omar dauernd zum Islam bekehren wolle und den er seinerseits am Ende zum Christentum bekehre. Er stünde heute also voll auf der Seite von Pegida. Durs Grünbein aber solle sich von jetzt an lieber „Furs Rotkopf“ nennen, das passe besser.

In der Zeit hat sich nun ein weiterer Dichter zu Wort gemeldet, Peter Schneider, und Grünbein mit guten Argumenten kritisiert. Auch er findet den Bezug auf Karl May falsch und kurios. Doch dabei tritt er ebenfalls in ein Fettnäpfchen, indem er Karl May als einen „Zwickauer“ apostrophiert. Karl May der Zwickauer! Ebensogut könnte man den in Eisenach geborenen Johann Sebastian Bach als einen Bad Hersfelder hinstellen oder den in Ludwigsburg geborenen Eduard Mörike als Stuttgarter. Die Leute von Hohenstein-Ernsthal, wo May geboren wurde, sind gekränkt. Grünbein kann sich in die Händchen reiben. Jeder blamiert sich eben, so gut er kann.

Die Moral von der Geschicht? Man sollte genauer Karl May lesen, auch wenn man selber Schriftsteller ist. Das erspart so manche Peinlichkeit.

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