© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/15 / 27. Februar 2015

Ins patriotische Herz
Kriegsfilm: Clint Eastwoods „American Sniper“ über einen US-Scharfschützen heimste sechs Oscar-Nomierungen ein
Wolfgang Paul

Chris Kyle gilt nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums als der effizienteste, erfolgreichste Scharfschütze der US-Militärgeschichte. Er war so etwas wie ein Schutzpatron der im Irak kämpfenden Soldaten, denn er tötete etwa 160 zumeist zivil gekleidete Personen, die aus dem Hinterhalt angriffen oder angreifen wollten. 2013 wurde Kyle auf einem Schießplatz in Texas von einem anderen Irak-Kriegsveteranen erschossen.

Diesem amerikanischen Helden hat Clint Eastwood (84) mit der Verfilmung von dessen Autobiographie ein Denkmal gesetzt. Als das Buch Anfang 2012 herauskam, wurde es ein Bestseller. Amerika staunte schon damals über einen Mann, der zur „Legende“ wurde. Im gleichen Jahr erschien die deutsche Ausgabe.

Jetzt, im Film, spielt ein sympathischer Bradley Cooper den Schützen, der von Hausdächern die Umgebung nach verdächtigen Personen absucht, um sie unschädlich zu machen, bevor sie Unheil anrichten.

Zu Beginn sieht er durch sein Zielfernrohr einen kleinen Jungen, der von einer Frau, vermutlich seiner Mutter, einen metallischen Gegenstand bekommen hat. Eine Granate, die er auf einen Trupp US-Soldaten schleudern soll? Muß Kyle abdrücken und ihn erschießen? Der Kommandant, mit dem er per Funk verbunden ist, überläßt ihm die Wahl. Und sofort wird klar, daß es für Kyle, wie er sich auch entscheidet, nicht ohne seelische Blessuren abgehen wird.

Rückblende in die amerikanische Vergangenheit: Kyle als ungestümer junger Mann, der zunächst Cowboy werden will, dann aber bei den Navy Seals landet und dort mit harten Methoden zum Killer ausgebildet wird, weil er nur so im Einsatz überleben kann. Neben dem Militärdienst findet er die richtige Frau (Sienna Miller), mit der er eine Familie gründet. Die vergißt er auch nicht, wenn er im fernen Irak die Häuser von Verdächtigen, also von allen Einheimischen, stürmt.

„American Sniper“ ist ein ziemlich gut gemachter Propagandafilm. Der Held kämpft weitab von daheim dafür, daß die Terroristen nicht nach Amerika kommen und seine Familie bedrohen, und er glaubt Gott an seiner Seite. In Amerika macht das Kinopublikum den Film gerade zum erfolgreichsten Kriegsfilm aller Zeiten. Sechs Oscar-Nominierungen hat er bekommen, so zielgenau trifft er das patriotische Herz vieler Amerikaner. Dennoch kann man ihn auch gegen den Strich sehen. Als ein packendes Beispiel dafür, wie Gewalt Gegengewalt erzeugt und diese wieder Gewalt. Die Geschichte vom US-Soldaten als Befreier und Heilsbringer im Nahen Osten erweist sich dann allerdings als eine Legende in einem etwas anderen Sinn.

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