© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/15 / 27. Februar 2015

Haltungsnote
Ein General ohne Legion
Christian Rudolf

Jeder, der kann, macht sich dünne. Die italienische Botschaft in der libyschen Hauptstadt evakuierte als eine der letzten westlichen ihr Personal. Doch einer war immer da, einer will bleiben: der Bischof von Tripolis. Monsignore Giovanni Martinelli feiert wie stets die heilige Messe.

Das Land und seine Gemeinde verlassen? „Gerade jetzt nicht. Es wäre feige“, sagte er neugierigen italienischen Journalisten, die ihn mit klingelnden Telefonen vom Beten abhielten. Freundlich bekannte der Bischof, der diesen Monat sein 73. Lebensjahr vollendete, er habe das Video von der Ermordung der 21 koptischen Christen gesehen. Und daran gedacht, auch so enden zu können. An jenem Sonntag, als die Italiener ihre Botschaft schlossen, drangen Islamisten in seine Kirche vor und drohten, er müsse bald sterben. Den Märtyrertod scheue er aber nicht: „Wenn das mein Weg sein soll, ein Zeugnis für Christus abzugeben, dann bin ich dem Herrn sogar dankbar für diese Gelegenheit.“

In Tripolis als Sohn italienischer Auswanderer geboren, kehrte er 1971 als Franziskaner aus Rom zurück und betreute damals 150.000 Katholiken. Heute besteht seine Gemeinde noch aus 300 Filipinos. „Ich fühle mich wie ein General ohne Legion.“ Die Situation sei „schlimmer als unter Gaddafi“.

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