© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/15 / 06. März 2015

Grüße aus London
Zwischen zwei Welten
Derek Turner

Ich habe früher ganz in der Nähe von Bethnal Green in Spitalfields gewohnt. Der Vorort im Londoner East End, dessen Name sich von dem altenglischen Blithehale („glückliche Ecke“) herleitet, ist seit mindestens einem Jahrhundert zum Synonym für Armut und Kriminalität geworden.

Bethnal Green findet schon in einer Ballade aus der Tudor-Zeit Erwähnung und ist im kulturellen Gedächtnis der Briten untrennbar mit dem Staatssekretär im Marineamt und Chronisten der Restaurationsepoche Samuel Pepys, mit Faustkämpfen, dem Blitzkrieg und den Kray-Zwillingen verbunden, die den Stadtteil in den 1950er und 1960er Jahren mit Raubüberfällen, Brandstiftung und Schutzgelderpressung in Atem hielten.

Die Familien der drei appellieren an ihre Töchter, nach Hause zurückzukehren.

Heutzutage bricht regelmäßig am Sonntagmorgen die Mittelklasse über den Blumenmarkt in der Columbia Road und die umliegenden Restaurants herein. Wie traurig, daß ausgerechnet dieser charaktervolle Bezirk nun Schlagzeilen macht, weil drei Schulmädchen von hier aus aufgebrochen sind, um sich dem Islamischen Staat (IS) anzuschließen.

Es wird spekuliert, daß Shamima Begum, Amira Abase (beide 15) und Kadiza Sultana (16) von Aqsa Mahmood angeworben wurden, die im Jahr 2013 aus Glasgow nach Syrien reiste, um dort einen IS-Krieger zu heiraten, und seither für IS rekrutiert. Die Familie Mahmood ließ über ihren Anwalt verlautbaren, für die Entscheidung der drei Mädchen sei weder Aqsa noch der islamische Glauben verantwortlich zu machen, sondern vielmehr die britischen Sicherheitsbehörden. Eine so unrichtige wie ungerechte, aber zweckdienliche Anschuldigung, die die Abgeordnete für Bethnal Green & Bow, Rushanara Ali, natürlich gerne aufgriff.

Die Familien der drei appellieren an ihre Töchter, nach Hause zurückzukehren, und wer kann ihnen ihre Nachsicht verdenken? Wer könnte jedoch andererseits dem britischen Staat einen Vorwurf daraus machen, wenn er sich weigerte, sie im Falle ihrer Rückkehr wieder ins Land einreisen zu lassen?

So brutal der Vorschlag klingen mag, diesen Mädchen und anderen, die ähnlich gedankenlos handeln, die Staatsbürgerschaft zu entziehen und sie dadurch staatenlos zu machen, könnte sich langfristig als wirkungsvollste Abschreckung erweisen, um andere davon abzuhalten, ähnlich törichte und potentiell tödliche Fehler zu begehen.

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