© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/15 / 06. März 2015

Blick in die Medien
Schon wieder erwischt
Tobias Dahlbrügge

Erst vor kurzem das inszenierte Foto der Staatschefs in Paris, das einen Volksmarsch simulieren sollte – jetzt ein ähnlicher Fall: Seit langem wartet Europa darauf, daß sich Moslems glaubwürdig von islamischer Gewalt distanzieren. Nun endlich sollte die große Geste da sein! In Oslo, der Hauptstadt Norwegens, hätten sich „tausend Muslime“, so gaben es zahllose Zeitungen weiter, in einer Menschenkette schützend um eine Synagoge gestellt, um ihren jüdischen Mitmenschen ein lebender Schutzschild zu sein. Der Leser konnte die Tränen der Rührung und Freude förmlich aus dem Zeitungspapier wringen.

Das Bild vom „Ring des Friedens“ wurde mit Schnellfeuer-Kadenz verbreitet. Doch wer genau hinsieht, erkennt, daß der Teilnehmer am Bildrand seine Hand keinem Nachbarn reicht, sondern sie in der Manteltasche hat. Auflösung: Unter den etwa tausend norwegischen „Friedensdemonstranten“ waren es laut Augenzeugen nur gut zwei Dutzend Moslems, die sich an die Hände faßten und einen Halbkreis vor dem Synagogeneingang bildeten. Das Motiv war allerdings so fotogen, daß es reichte, um das Märchen von der „Menschenkette“ zu fabrizieren.

So produzierten sich mehrere der Aktivisten in sozialen Netzwerken als Judenhasser.

Zudem war einiges über die Teilnehmer zu erfahren. So produzierten sich mehrere der händchenhaltenden Aktivisten in der Vergangenheit in Presse und sozialen Netzwerken als Judenhasser, die Palästina-Landkarten ohne Israel posteten und die Theorie verbreiteten, der IS-Anführer müsse ein Agent des Mossad sein.

Warum also bildeten ausgerechnet die einen „Ring des Friedens“ um eine Synagoge? Die Erklärung, die das Bild nicht zeigen kann: Sie riefen dabei „Nein zu Antisemitismus, nein zu Islamophobie“. Absicht war also wieder einmal, beides gleichzusetzen, um sich mit dem geliehenen Opferstatus gegen Kritik zu imprägnieren.

Warum und vor wem eine norwegische Synagoge überhaupt geschützt werden muß, erklärte keine einzige Zeitung.

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