© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/15 / 06. März 2015

Vielleicht ein paar Panzer mehr
Bundeswehr: Mit ihrer Ankündigung, ein zusätzliches Bataillon zu aktivieren, hat Ursula von der Leyen für Aufsehen gesorgt
Marcus Schmidt

Wenn sich ein Minister von der eigenen Presseabteilung interviewen läßt, kommt selten mehr heraus als dröger Verlautbarungsjournalismus. Anders bei dem Gespräch von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit der Redaktion ihres Hauses, das Ende vergangener Woche auf der Internetseite des Ministeriums veröffentlicht wurde. Darin kündigte sie unter anderem an, ein bislang inaktives, also nur auf dem Papier existierendes Panzerbataillon zu aktivieren.

Mit dieser Äußerung hat die gerade anlaufende Diskussion über die Neuausrichtung der Sicherheitspolitik (Stichwort: „Weißbuch 2016“) neuen Schwung bekommen. Denn Sätze wie der folgende kündigen ein Abrücken von der seit Ende des Kalten Krieges herrschenden Praxis an, die Bundeswehr zu verkleinern, um Kosten zu sparen. „In einem ersten Schritt wollen wir zum Beispiel mit der Praxis Schluß machen, daß wir überschüssiges gutes Material, beispielsweise Leopard 2, abgeben oder verschrotten“, sagte die Ministerin in dem Interview und wurde dafür sogleich vom verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, gelobt. Angesichts des Konflikts mit Rußland um die Ukraine sei es vernünftig, die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu stärken.

Zugleich kündigte von der Leyen an, einige von ihrem Amtsvorgänger Thomas de Maizière (CDU) beschlossene Standortschließungen zurückzunehmen. So soll die Ausbildung der Fallschirmjäger nicht vom oberbayerischen Altenstadt nach Oldenburg umziehen. Zudem bleiben die saarländischen Standorte Lebach und Saarlouis erhalten. Weitere Fälle würden geprüft.

Von grundsätzlicher Bedeutung ist, daß von der Leyen vom in der Truppe äußerst unbeliebten „Dynamische Verfügbarkeitsmanagement“ abgerückt ist. Dieses sieht vor, daß Einheiten nicht zu 100, sondern nur durchschnittlich zu 75 Prozent mit Großgerät ausgestattet werden. Dadurch läßt sich Material sparen. Für Übungs- oder Einsatzzwecke muß das fehlende Material von anderen Einheiten angefordert werden. Die VMinisterin warnte in diesem Zusammenhang vor einer schleichenden Mangelverwaltung, die zunehmend den Grund- und den Ausbildungsbetrieb aushöhle. „Diesen Trend müssen wir wieder umkehren“, kündigte die CDU-Politikerin an. Hintergrund ist nicht zuletzt die Führungsrolle Deutschlands beim Aufbau der neuen „Speerspitze“ der Nato, deren Einheiten innerhalb von zwei bis fünf Tagen einsatzbereit sein sollen. Das ist nur möglich, wenn das Material vollzählig ist.

Schon bei der jetzt von der Verteidigungsministerin angekündigten Aktivierung des im niedersächsischen Bergen stationierten Panzerbataillons 414 stellt sich die Frage, ob die Bundeswehr überhaupt noch über ausreichend geeignetes Material, sprich Panzer, verfügt. Am Ende des Kalten Krieges 1989/1990 prägten mehr als 2.000 Kampfpanzer das Bild der Bundeswehr. Doch davon sind nicht viele übriggeblieben. Im Mai 2013 legte Verteidigungsminister de Maizière die Obergrenze für den Leopard-2-Panzer auf 225 Stück fest. Dennoch verfügt das Heer derzeit immer noch über mehr Panzer. Nur wie viele genau und in welchem Zustand ist die Frage. Laut einer internen Aufstellung zur Vorlage an die Ministerin, aus der die Süddeutsche Zeitung am Montag zitierte, wurden Anfang Dezember 2014 noch 365 Leopard 2 „im Bestandsnachweis“ der Bundeswehr geführt. Davon gehörten 287 zu den im Heer genutzten modernen Varianten A5 bis A7. Von denen wiederum seien 42 zur „Abgabe an Polen“ vorgesehen, davon 14 noch im vergangenen Jahr. Elf Panzer waren zur „Ersatzteilgewinnung“ vorgesehen, acht befanden sich „in Zuständigkeit“ des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr – und einer „im serienfernen Konstruktionsstand“ beim Hersteller, schreibt das Blatt weiter. Daneben lagerten Ende vergangenen Jahres noch 78 Panzer der in der Truppe nicht mehr eingesetzten Variante A4 in den Depots der Bundeswehr. Diese müßten aufwendig modernisiert werden, um sie nutzen zu können.

Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff, bestätigte am Montag vor der Bundespressekonferenz die Angaben im wesentlichen. Derzeit gebe es „ungefähr 240 bis 250“ Leopard-Panzer der Varianten A5 bis A7. „Dann gibt es auch noch andere Panzer, die auf dieses Niveau aufrüstbar sind“, sagte Flosdorff und sprach hier von einer „dreistelligen“ Zahl. Die vereinbarte Abgabe von Panzern an Polen bleibe von den aktuellen Überlegungen unberührt.

Angesichts dieser Zahlen dürfte es schwer werden, ein zusätzliches Bataillon mit den dafür vorgesehen 44 Panzern auszurüsten, zumal eine mögliche Modernisierung von noch vorhandenen Leopard-2-Panzern der älteren Variante A4 nach Angaben Flosdorffs allenfalls mittelfristig möglich sei.

Zusammenarbeit mit den Niederlanden

Doch möglicherweise werden für das neue Bataillon gar nicht so viele zusätzliche Panzer benötigt. Die Verteidigungsministerin hatte in ihrem Interview nicht zufällig davon gesprochen, das Bataillon „vorzugsweise mit ergänzender internationaler Komponente“ zu aktivieren. Und sie fügte hinzu: „Wir sind dazu in guten Gesprächen mit den Niederlanden.“ Die niederländische Armee ist gerade dabei, ihre Panzertruppe aufzulösen. Trotz der 2011 aus Kostengründen getroffenen Entscheidung wollen sich die Niederlande die Grundkompetenzen der Panzerwaffe erhalten. So werden weiterhin niederländische Soldaten am Ausbildungszentrum für die Panzertruppe im niedersächsischen Munster geschult. Und so könnte dem Panzerbataillon 414 auch eine niederländische Kompanie unterstellt werden, ausgerüstet mit den restlichen Leopard-2-Panzern aus den Beständen der „Koninklijke Landmacht“. Aus Kreisen der Bundeswehr heißt es außerdem, es sei geplant, daß zwei andere Panzerbataillone jeweils eine Kompanie an das neue Bataillon abgeben. Der Bedarf an zusätzlichen Panzern würde sich damit in engen Grenzen halten. Die Wirkung der Ankündigung von der Leyens allerdings auch.

Kommentar Seite 2

Foto: Kampfpanzer Leopard 2A6 Anfang Februar bei einer Übung: Verschrottet oder verkauft

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