© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/15 / 13. März 2015

Bernd Lucke auf dem Vormarsch
AfD: Nach der überraschenden Entlassung des Bundesgeschäftsführer geht der Streit in der Partei in eine neue Runde
Marcus Schmidt

Die AfD kommt einfach nicht zur Ruhe. Dabei hatte es Anfang Februar nach dem Parteitag in Bremen für einen kurzen Augenblick so ausgesehen, als könnte die Partei ihre turbulente Gründungsphase endgültig hinter sich lassen. Der Satzungsstreit, der über Wochen die Berichterstattung über die AfD geprägt hatte, war im Sinne von Parteichef Bernd Lucke entschieden worden. Seine Co-Vorsitzenden Frauke Petry und Konrad Adam sowie Parteivize Alexander Gauland hatten die Entscheidung der Parteibasis gegen die Dreierspitze notgedrungen akzeptiert. Doch spätestens seit der von Lucke betriebenen Entlassung von AfD-Bundesgeschäftsführer Georg Pazderski in der vergangenen Woche sind die Kontrahenten an der Parteispitze wieder in ihre alten Stellungen zurückgekehrt.

Der Vorstoß Luckes in dieser Personalfrage traf seine Kritiker völlig unvorbereitet. Offiziell begründet die Partei die Entlassung Pazderskis, die Ende Juni wirksam wird, mit der angespannten Finanzlage der Partei. Diese erlaube es nicht, neben dem in der neuen Satzung vorgesehenen Posten eines Generalsekretärs auch weiterhin einen Geschäftsführer zu finanzieren. Aus diesem Grund hatte mancher bereits darauf spekuliert, daß der von Lucke seit Monaten geforderte „General“ am Ende am fehlenden Geld scheitern könnte.

Über Pazderski jedenfalls war in der Partei kein schlechtes Wort zu hören. In einem Schreiben an die Mitglieder versicherte Lucke, daß sich der Vorstand völlig einig sei, „daß sich Georg Pazderski große Verdienste um die AfD erworben hat und er immer loyal zur Partei gestanden hat“. Nicht einig war sich der Vorstand indes bei der Abstimmung über Pazderskis Rauswurf. Dem Vernehmen nach stimmten Adam, Gauland, Petry und Beatrix Diefenbach gegen die Entlassung. „Ich habe immer sehr gut mit Georg Pazderski zusammengearbeitet“, bedauerte Frauke Petry die Entscheidung. „Eine Entlassung zwecks Umstrukturierung zum Zeitpunkt der Vorstandsneuwahl im Juni oder früher vorzunehmen, halte ich für voreilig, sondern plädiere stattdessen für eine schrittweise Umstrukturierung, um den zu wählenden Generalsekretär einzubinden“, sagte sie der JUNGEN FREIHEIT. In der Partei wird zudem darauf hingewiesen, daß der Posten des Generalsekretärs den eines Bundesgeschäftsführers nicht eins zu eins ersetzen könne. Während ein Generalsekretär die Aufgabe habe, auch in tagespolitische Auseinandersetzungen einzugreifen, um so in der Öffentlichkeit das Profil der Partei zu schärfen, kümmere sich ein Geschäftsführer vor allem um die Verwaltung des Parteiapparats. Die Kritiker sehen in Pazderskis Entlassung denn auch den Versuch Luckes, seine Position an der Spitze der Partei, die er voraussichtlich ab Dezember als alleiniger Vorsitzender führen wird, auszubauen. Während Pazderski als Bundesgeschäftsführer allen Vorstandsmitgliedern gleichermaßen loyal gewesen sei, werde der künftige Generalsekretär, der nun auch alle Aufgaben eines Geschäftsführers übernehmen müsse, vor allem Lucke verpflichtet sein. Nicht umsonst hat der Parteivorsitzende laut Satzung das Vorschlagsrecht.

Als Luckes „General“ gehandelt wird derzeit Gustav Greve, Beisitzer im Bundesvorstand und Leiter der Programmkommission der AfD. Im Sinne Luckes gilt der ruhig und verbindlich auftretende 63 Jahre alte Unternehmensberater mit der markanten roten Brille vielen in der Partei als Idealbesetzung. Er ist absolut loyal und hat politische Erfahrungen in der CDU gesammelt, unter anderem in den achtziger Jahren als Büroleiter des Berliner Wirtschaftssenators Elmar Pieroth. „Greve könnte den Willen Luckes in die Partei tragen“, sagt ein AfD-Funktionär. Für Luckes parteiinterne Gegner klingt das wie eine Drohung.

Mit Blick auf die im Juni anstehende Neuwahl des Parteivorstandes wird in beiden Lagern hinter den Kulissen unterdessen bereits eifrig an Schlachtplänen und Bündnissen gearbeitet. Die Welt streute in der vergangenen Woche das Gerücht, Lucke wolle Frauke Petry als Co-Vorsitzende in der während einer Übergangsphase von Juni bis Dezember amtierenden Doppelspitze verhindern und statt dessen die Europaabgeordnete Ulrike Trebesius in die erste Reihe

hieven. Die AfD-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein reagierte auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT zurückhaltend auf die Spekulationen. „Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich für den Bundesvorstand kandidiere“, sagte Trebesius. Sie wolle zunächst abwarten, wie sich die Konflikte im Vorstand entwickelten, und ob diese weiterhin über die Presse ausgetragen werden. Sie könne sich aber grundsätzlich vorstellen, als stellvertretende Parteivorsitzende zu kandidieren. „Ich hatte nach dem Bremer Parteitag auf Ruhe gehofft“, sagte Trebesius angesichts der neuerlichen Personaldiskussionen in der Partei. Gerade jetzt gebe es mit Griechenland und dem von der EZB begonnenen Kauf von Staatsanleihen viele Themen, „die wir lautstark mit AfD-Positionen besetzen sollten“.

Petrys Landesverband lehnt TTIP ab

Eine Forderung, die ohne Frage auch bei Frauke Petry auf Zustimmung stoßen dürfte. „Wir müssen zu Themen wie TTIP, EU-Kritik, Außenpolitik, Asyl- und Einwanderung, Familie und Mindestlohn oder bei der Frage nach einem Euro-Ausstieg Deutschlands eigene grundsätzliche Standpunkte haben, die dazu geeignet sind, die Regierung vor uns herzutreiben“, mahnte die sächsische Fraktionschefin eine deutliche Positionierung ihrer Partei an. Für den Erfolg der AfD werde es in der nächsten Zeit entscheidend sein, ob es der Partei gelinge, kontroverse Themen glaubwürdig zu diskutieren und weiterhin den Finger in die Wunde zu legen. „Wir müssen unser Profil als echte Oppositionspartei bewahren, angepaßte Parteien gibt es schon genug.“ Die AfD müsse die Partei der offenen Diskussion bleiben, ergänzte Petry in dem Wissen, daß es auch hier reichlich Konfliktpotential gibt.

Etwa beim in der Partei umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP. Hier hat Petrys sächsischer Landesverband bereits erste Pflöcke eingerammt. Landesverband und Landtagsfraktion sind sich in der Ablehnung von TTIP einig. In der Bundespartei und bei den AfD-Abgeordneten in Brüssel wird diese Festlegung nicht jedem gefallen.

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