© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/15 / 13. März 2015

„Das Vereinsleben geht den Bach runter“
Einwanderung: Die wachsende Zahl von Asylbewerbern stellt die Kommunen vor immer größere Probleme bei der Unterbringung
Lion Edler

Die wachsende Zahl der Asylbewerber in Deutschland macht auch vor den Parlamenten nicht halt. Da vielerorts die Unterkünfte bereits überfüllt sind , hat die Erfurter Stadtverwaltung in der vergangenen Woche vorgeschlagen, daß die Abgeordneten ihre Wohnungen für Flüchtlinge frei machen sollen. Zuvor hatten drei Thüringer Landkreise angekündigt, sie könnten keine Asylbewerber mehr aufnehmen, da sie keine freien Unterkünfte zur Verfügung hätten.

Dieser kurios anmutende Vorschlag wirft ein Schlaglicht auf die derzeitige angespannte Situation in den Kommunen, denn auch andernorts reißt der Strom der Asylbewerber nicht ab. Von der „größten innenpolitischen Herausforderung in NRW“ spricht gar der nordrhein-westfälische CDU-Innenexperte Theo Kruse. Auch der Städte- und Gemeindebund in Nordrhein-Westfalen schlägt Alarm. Dessen Präsident, der Soester Bürgermeister Eckhard Ruthemeyer (CDU), verlangte für Asylbewerber aus den Balkanstaaten schnellere Asylverfahren innerhalb von zwei Wochen. Wenn der Antrag auf Asyl abgelehnt werde, weil „offenkundig kein triftiger Asylgrund vorliegt“, müsse unverzüglich eine Abschiebung in die Heimatländer erfolgen, forderte Ruthemeyer. Im Januar kamen 3.034 Asylbewerber aus dem Kosovo nach NRW, wobei die Anerkennungsquote bei 0,3 Prozent lag.

An der Abschiebung von abgelehnten Bewerbern scheint die Landesregierung dennoch kein gesteigertes Interesse zu haben. „Nur ein kleiner Teil wird zwangsweise zurückgeführt“, gab Innenminister Ralf Jäger (SPD) unverhohlen zu. Die meisten Asylbewerber aus dem Balkan würden Deutschland freiwillig wieder verlassen, rechtfertigte sich der Minister. Oftmals scheint die unterlassene Abschiebung daran zu liegen, daß abgeschobene Asylbewerber dann einen Eintrag in die Papiere kommen, der die erneute Einreise in ein „Schengen“-Land ausschließt.

Oppermann fordert Geld vom Bund

Besondere Brisanz erhält die Asylpolitik in Sachsen, wo die Dresdner Pegida-Bewegung zuletzt wieder Zulauf verzeichnete. Die Landesregierung beschloß nun ein Notprogramm, das das Betreuungspersonal aufstocken und die Kommunen mit einer Finanzspritze versehen soll. Den Städten und Gemeinden, die für die Betreuung der Asylbewerber zuständig sind, sollen rund zehn Millionen Euro als Überbrückungsgeld zukommen. Somit stehen für jeden Asylbewerber künftig 1.900 Euro pro Quartal zur Verfügung; zuvor mußten die Kommunen mit 1.500 Euro auskommen. Sachsen erwartet für dieses Jahr 15.000 bis 20.000 Asylbewerber – ein Mehrfaches im Vergleich zu den Vorjahren.

Doch trotz aller finanziellen Hilfen – die Beschlagnahmung von Gebäuden sorgt immer wieder für Zündstoff. Kritik mußte die Politik im bayerischen Taufkirchen einstecken, nachdem ein Sportpark beschlagnahmt wurde, um ihn als Unterkunft für Asylbewerber zu nutzen. Der Präsident des Sportvereins SV-DJK Taufkirchen, Klaus Brandmaier, befürchtet, daß diese Flüchtlings-unterkunft noch mindestens ein Jahr in Betrieb sein wird, weil Alternativen bislang fehlten. In dieser Zeit könnten jedoch Abteilungen seines Vereins „auseinanderbrechen und Mitglieder abwandern“, befürchtet Brandmaier. Dabei sei doch zunächst immer nur die Rede von fünf bis sechs Wochen gewesen, stöhnt Bürgermeister Ullrich Sander (parteilos). „Es fallen Schulstunden aus, und es kann nicht sein, daß ein Vereinsleben den Bach runtergeht“, klagt der Kommunalpolitiker. Und auch für die Flüchtlinge lasse die Situation in der Turnhalle zu wünschen übrig: „Da steht Bett neben Bett.“

Unterdessen ringt auch die Bundespolitik um eine Entlastung der Kommunen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte im Gespräch mit der Funke-Mediengruppe, die Unterbringung der Asylsuchenden müsse künftig vom Bund bezahlt werden. Unterstützung kam vom thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linkspartei). „Es ist gut, daß im Bund offenbar umgedacht wird“, sagte Ramelow der Nachrichtenagentur dpa.

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