© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/15 / 13. März 2015

Die Genossen stellen sich gegenseitig ein Bein
Personalquerelen: In der Linkspartei brechen im Westen und in der Bundestagsfraktion alte Konflikte wieder auf
Christian Schreiber

Noch am Wahlabend war Dora Heyenn siegesgewiß: „Es hat sich gezeigt, daß unsere Partei auch im Westen nicht mehr von der politischen Landschaft verschwinden wird“, sagte die Spitzenkandidatin der Hamburger Linkspartei, nachdem sie mit 8,5 Prozent den Wiedereinzug in die Bürgerschaft geschafft hatte. Nicht einmal drei Wochen später ist zumindest Heyenn von der großen Bühne abgetreten. In den kommenden fünf Jahren wird sie ein Schattendasein als Hinterbänklerin im Parlament fristen. Am Anfang der vergangenen Woche verließ die 65jährige ihre Fraktion. Zuvor scheiterte sie bei der Wiederwahl als Fraktionschefin überraschend. Nun steht das Duo Cansu Özdemir und Sabine Boeddinghaus der Fraktion vor.

Über die Gründe der Demontage Heyenns wird seitdem eifrig spekuliert. In der Bevölkerung kam die Publizistin gut an, galt auch in den unteren Partei-gliederungen als beliebt. Doch daß der Wahlkampf auf sie zugeschnitten war, soll viele in der Partei gestört haben. „Personenkult und Eitelkeit“ lauten die Vorwürfe. Aber es gibt wohl auch noch einen gewichtigen politischen Grund.

Angesichts der Umfrageergebnisse zeichnete sich früh ab, daß sich die SPD womöglich einen Koalitionspartner würde suchen müssen. Ein Bündnis mit der Linken schloß Bürgermeister Olaf Scholz von Beginn an aus. „Zu radikal, zu unverläßlich“, lautete seine Einschätzung. Heyenn gehört zum fundamentalistischen Flügel der Partei, ihre Abwahl könnte die Revanche dafür gewesen sein, daß sie ihre Partei in die Schmuddelecke manövriert hatte. Die 65jährige ist erst einmal abgetaucht, will die Sache verarbeiten. Zurück bleiben eine zerstrittene Landespartei und eine ratlose Bundesführung. Parteichef Bernd Riexinger versuchte das Ganze als Unfall darzustellen. „Das ist insgesamt sehr unglücklich gelaufen“, sagte er der Frankfurter Rundschau: „So etwas darf eigentlich nicht passieren.“

Wagenknecht verzichtet auf Fraktionsvorsitz

Doch Hamburg ist kein Einzelfall. Auch in Niedersachen fliegen die Fetzen. Dort warf der bisherige Landesvorsitzende Manfred Sohn entnervt das Handtuch, verließ die Partei. Vorausgegangen war eine monatelange Dauerfehde mit dem Bundestagsabgeordneten Dieter Dehm. Der hatte auf einem Landesparteitag Mitte Februar den Landesvorstand weitestgehend nach seinen Wünschen aufstellen können und seine Vorgänger anschließend noch öffentlich verhöhnt. „Man hat sich zuletzt ausschließlich um theoretische Fragen gekümmert. Kein Wunder, daß man nicht mehr im Parlament vertreten ist“, sagte Dehm und brachte seinen Kontrahenten damit an den Rand der Verzweiflung. „Das ist eine der widerwärtigsten Denunziationen dieses kalten Menschen, denen ich mich auch als Mitglied dieser Partei nicht mehr aussetzen möchte.“

Im Endeffekt ging es auch hier um den alten Richtungsstreit. „Der verlorene Sohn“ galt als „Ostalgiker“, kritisierte das Thüringer Bündnis um Bodo Ramelow vehement. „Wer Sozialismus will, kommt diesem Ziel nicht durch Engagement innerhalb der Staatsmaschine näher, sondern nur als ihr Gegner.“ Unter solchen Voraussetzungen eine Koalition eingehen zu können, halten die Realos in der Partei für illusorisch. Thüringens Ministerpräsident Ramelow mahnt dann auch in Richtung der Westverbände, „daß Teilhabe an der politischen Macht durch Seriosität und nicht durch Utopien kommt“.

Und auch in Berlin knirscht es. Am Freitag vergangener Woche kündigte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht überraschend an, sie werde im Herbst nicht als Chefin der Linksfraktion kandidieren. „Ich halte es für einen strategischen Fehler, daß die große Mehrheit der Fraktion dem Antrag der Bundesregierung auf Verlängerung des griechischen ‘Hilfsprogramms’ zugestimmt hat“, teilte sie zur Begründung in einer persönlichen Erklärung mit. Zwar unterstütze auch sie den Kurs der griechischen Syriza-Partei, der Antrag im Bundestag stamme aber von der Bundesregierung. Eine Zustimmung bedeute somit, den Kurs von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu unterstützen.

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