© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/15 / 13. März 2015

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Sonntag im Kino, „Still Alice – Mein Leben ohne Gestern“, ein Alzheimer-Drama mit Julianne Moore in der Hauptrolle. Sie spielt eine 50jährige Linguistik-Professorin, die erste Anzeichen für eine Alzheimer-Erkrankung bemerkt; mal fällt ihr bei einer Vorlesung an der Universität nicht mehr das richtige Wort ein, mal verliert sie beim Joggen die Orientierung. Nach einer neurologischen Untersuchung wird die Ahnung zur Gewißheit, die Diagnose des Arztes ist eindeutig: Alzheimer, in diesem ihrem Fall früh einsetzend und zudem vererbbar. Das Drama nimmt seinen Lauf. „Ich bin vielleicht bald nicht mehr ich selbst“, sagt Alice Howland zu ihrem Mann (Alec Baldwin).

In Deutschland leiden nach Angaben der Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen an der Alzheimer-Krankheit. Laut Bundesfamilienministerium sind es 1,4 Millionen Männer und Frauen. Bis 2050 wird eine Verdoppelung auf drei Millionen Erkrankte prognostiziert. Am weitaus häufigsten betroffen sind Menschen ab dem 65. Lebensjahr. Etwa 70 Prozent aller Alzheimer-Patienten werden laut AFI zu Hause durch Angehörige gepflegt. Vom Zeitpunkt der Diagnose bis zum Tod beträgt die durchschnittliche Krankheitsdauer sieben Jahre. So nüchtern derlei Fakten sind: Nur wer im eigenen Familienkreis mit Alzheimer- beziehungsweise Demenzerkrankungen konfrontiert ist, vermag zu ermessen, welche vor allem mentalen Herausforderungen für die Angehörigen damit verbunden sind.

Im Film und in der Literatur hat das Thema Alzheimer Konjunktur. Til Schweigers Tragikomödie „Honig im Kopf“ um einen an Alzheimer erkrankten Großvater (gespielt von Dieter Hallervorden) stand wochenlang an der Spitze der deutschen Kinocharts. Inzwischen haben über 6,1 Millionen Zuschauer den Film gesehen. Die Dokumentation „Vergiß mein nicht“, in der Regisseur David Sieveking seine an Alzheimer erkrankte Mutter Gretel in deren letzten Lebensjahren mit der Kamera begleitete, erhielt 2012 den Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts, die Filmbewertungsstelle zeichnete ihn mit dem „Prädikat besonders wertvoll“ aus. Arno Geigers fesselnd-berührende Erzählung „Der alte König in seinem Exil“ über seinen demenzkranken Vater war 2011 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.

Julianne Moore ist für ihre Darstellung mit dem Oscar für die beste weibliche Hauptrolle ausgezeichnet worden. Völlig zu Recht. „Still Alice“ ist großes Kino.

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