© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/15 / 13. März 2015

Frisch gepresst

Kalifatstaat. Der Islamische Staat (IS) ist in aller Munde. Kein Wunder, beherrscht die Führungsriege um „Kalif“ Abu Bakr al-Baghdadi doch die Klaviatur des virtuellen Lebens in den sozialen Netzwerken. Sie wissen, daß es in „unserer Welt der 24-Stunden-Medien“, Journalisten wie Leser nach „schockierenden und außergewöhnlichen Ereignissen dürstet“, berichtet Loretta Napoleoni. Die italienische Journalistin schildert facetten- und kenntnisreich den Aufstieg des IS, der es nicht nur schafft, den „Terror im Stil eines Großkonzerns zu professionalisieren“, sondern mit „militärischem Geschick“ und gewandter sunnitischer „Nationenbildung“ die von Briten und Franzosen im Sykes-Picot-Abkommen von 1916 gezogenen Grenzen in Frage zu stellen. Die Expertin für Terrorismus und dessen Finanzierung entläßt dabei den Westen nicht aus der Verantwortung seiner gescheiterten Politik in Afghanistan, Syrien und dem Irak, wo in den failed states erst das Biotop für diese Gruppierungen entsteht. Resümee Napoleoni: Das Kalifat klopft an die Tür – doch der Westen steht dem Phönix aus der Asche „blind“ gegenüber. (ctw)

Loretta Napoleoni: Die Rückkehr des Kalifats. Der Islamische Staat und die Neuordnung des Nahen Ostens. Rotpunktverlag, Zürich 2015, broschiert, 158 Seiten, 18,90 Euro

 

Wildes Waziristan. Über den Wolken ist bei Reinhard Mey die Freiheit grenzenlos, und „nur von fern klingt monton / das Summen der Motoren“. Im Fall des Schweizer Paares Daniela Widmer und David Och, beide ausgebildete Polizisten, ist dies in surrealer, geradezu gespenstischer Weise anders: „Die Dieselmotoren brummen im Tal, über uns surren die Drohnen.“ Und hinter ihnen her sind die Taliban, denen ihr Faustpfand abhanden gekommen ist – einer, der im Kofferraum gewöhnlich zusammen mit der Panzerfaust transportiert wird. Doch die an klassischen Slapstick erinnernde Dummheit und Dämlichkeit der paschtunischen Entführer ist tatsächlich nur die befremdliche Kuriosität einer ansonsten erschütternd trostlosen archaischen Gemeinschaft, die ebenso zurückgeblieben wie abergläubisch erscheint. Nach acht Monaten Entführung gelingt den beiden Schweizern die abenteuerliche und zugleich groteske Flucht aus der Geiselhaft („dem Schutz des Paschtunwali“), deren handelndes Personal als „Junkie“, „Geißenpeter“, „Dumbo“ oder „Guildo Horn“ vorgestellt wird. (cd)

Daniela Widmer, David Och: Und morgen seid ihr tot. 259 Tage als Geiseln der Taliban. DuMont Buchverlag, Köln 2015, broschiert, 319 Seiten, 9,99 Euro.

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