© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/15 / 20. März 2015

Magneten, die Dschihadisten anziehen
Spanien: Eine Untersuchung des Innenministeriums offenbart eine Vielzahl von Gefährdungspotentialen mit islamistischem Hintergrund
Michael Ludwig

Spaniens Regierung will sich bei ihrem Kampf gegen den radikalen Islam nicht nur auf Geheimdienstinformationen verlassen, sie stellt ihn auch auf eine wissenschaftliche Grundlage. Entsprechend führte das Innenministerium eine breit angelegte Untersuchung durch, um die Gefahrenherde rechtzeitig und besser erkennen zu können. Dazu wurden sozioökonomische Daten und der Stand der Gewaltbereitschaft der verschiedenen extremistischen Gruppen zusammengetragen. Das Ergebnis: die Gefahr, daß es zu einem blutigen Anschlag kommt, ist in Katalonien am größten.

Den Quellen zufolge, die die Tageszeitung ABC zitiert, besteht in der nordöstlichen Provinz ein Gefahrenpotential von 29 Prozent. Rund 400.000 Islamgläubige leben derzeit dort, es gibt 268 Moscheen und Gebetshäuser, das sind mehr als in allen anderen Teilen des Landes. In einer bereits früher bekanntgewordenen Einschätzung der US-Botschaft in Madrid heißt es dazu: „Die enorme Einwanderung, legal wie illegal, von Nordafrika sowie aus Pakistan und Bangladesch verwandelt die Region in einen Magneten, der Terroristen anzieht und in ein ideales Terrain, um neue zu rekrutieren.“ Barcelona gilt als besonders gefährdet. In ihrem Großraum leben über 60.000 Pakistani, vor allem unverheiratete Männer, ohne gültige Papiere.

An zweiter Stelle auf der Gefährdungsskala steht Andalusien. Für die Analytiker im Madrider Innenministerium war dies eine Überraschung – sie gingen davon aus, daß die südlichste Region mit ihrem reichen maurischen Erbe und ihrem hohen Bevölkerungsanteil (Andalusien hat etwa eine Million Einwohner mehr als Katalonien) an der Spitze stehen müßte, hat aber mit 13 Prozent nicht einmal die Hälfte des katalanischen Wertes.

In den Provinzen Almeria und Malaga haben allerdings radikale Moslems an Terrain gewonnen, so daß sie ebenfalls als gefährlich anzusehen sind. Platz drei und vier teilen sich die Regionen Valencia (11 Prozent) und Madrid (10 Prozent).

Der muslimische Bevölkerungsanteil an Spaniens Gesellschaft (3,2 Prozent) ist nicht homogen – er setzt sich aus Gläubigen vieler Länder zusammen. Das sind neben Pakistanis vor allem Marokkaner, Algerier, aber auch Zuwanderer aus Gambia und dem Senegal. Gerade diese Unterschiedlichkeit bereitet den Sicherheitsbehörden Kopfzerbrechen. „Sie begünstigt die Entstehung sozialer und ethnischer Brennpunkte und führt dazu, daß extremistische Gruppen zusammenfinden“, erklärte ein hoher Sicherheitsbeamter. „Sie sympathisieren miteinander, und wenn es darauf ankommt, unterstützen sie sich gegenseitig.“

Ein Phänomen, das auch in Deutschland bekannt ist, findet sich auf der Iberischen Halbinsel wieder – nämlich die Gefahr, die von Moslems ausgeht, die einen spanischen Paß besitzen und nach Kampfeinsätzen in Syrien und im Irak in ihre Heimat zurückkehren.

Im Rahmen der wissenschaftlichen Analyse wurden vor allem die vier wichtigsten islamistischen Organisationen unter die Lupe genommen, die in Spanien aktiv sind – dies sind Hizb ut-Tahrir (HuT), sie hat ihren Hauptsitz in Barcelona und versucht die arabischen Eliten im Sinne des Salafismus zu beeinflussen; die Moslembruderschaft, die einen konservativen Islam vertritt und in 70 Ländern aktiv ist, sowie al Adl Wa Al Ihsan und Jamaat al-Tabligh, deren Hauptziele die Errichtung eines islamischen Kalifats sind; beide stammen aus Marokko und sind dort verboten.

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