© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/15 / 20. März 2015

Zeitschriftenkritik: Tumult
Rachsüchtige Pazifisten, gerechte Kriege
Werner Olles

Wenn die Zeiten härter werden und die Meinungsräume enger, schlägt gewöhnlich die Stunde machiavellistischer Blender: Es haben diejenigen das Sagen, die inhaltlich am wenigsten zu sagen haben. Tumult, die von Frank Böckelmann und Horst Ebner herausgegebene „Vierteljahresschrift für Konsensstörung“, unterzieht hingegen die Leerformeln („Weltoffenheit“, „Vielfalt“, mittlerweile auch „Demokratie“) einer kritischen Reflexion. Wenn Thomas Kapielski in der Frühjahrsausgabe 2015 Voltaire zitiert: „Um zu lernen, wer über dich herrscht, finde einfach heraus, wen du nicht kritisieren darfst“, wird klar, daß die ganze Offenheitsrhetorik unserer Polit-Koryphäen nichts weiter ist als eine Mischung aus Selbstbetrug und ordinärer Roßtäuscherei.

Anknüpfend an Kapielski beschreibt der Frankfurter Historiker Gerd Koenen jenes neue und obsessive Element, das „der moderne Islamismus allen sonstigen radikalen oder totalitären Ideologien, allen linken Antiimperialismen oder rechten Nationalismen hinzugefügt hat“. Es ist kein Zufall, daß ausgerechnet Ex-Linke, indem sie ihre marxistische Vergangenheit entsorgten, sich nun kulturpessimistischen Stimmungen hingeben, die sie widerwillig als „ein süßes Gift, eine Droge eigener Art“ goutieren, dann aber zugeben müssen, daß sie nur selten gegenstandslos sind: „Sich ihnen zu entziehen, ist eine moralische und intellektuelle Kulturleistung, die man täglich erbringen muß.“ Gleichwohl ist Koenens Einschätzung nicht zu widersprechen, daß „diese IS-Kriegerhaufen der Abhub der nahöstlichen wie westlichen Vorstädte, verstärkt durch ein paar hundert blasse Konvertiten aus gutbürgerlich-christlichen Vorstadtmilieus sind“.

Mit der Problematik des Völkerrechts beschäftigt sich Günter Maschke in seinem Essay „Die Revolution des Völkerrechts 1919 und dessen heutige Selbstzerstörung“. Wie Hobbes schreibt auch Maschke den Krieg der menschlichen Natur zu, er sei geradezu „ein integraler, essentieller Bestandteil des menschlichen Seins“ und habe sich „jahrtausendelang in seiner Kultur manifestiert“. So „läßt sich mit der Diskriminierung und dem Verbot des Krieges das Wort exorzieren, während die Sache an Furchtbarkeit gewinnt“. Wenn Clausewitz sage, daß der Krieg ein Chamäleon sei, doch hinzuzufügen vergaß, daß das Chamäleon das einzige Tier ist, das keinerlei Wert darauf legt, mit seinem wirklichen Namen genannt zu werden, dann schätze es die zahlreichen Tarnbegriffe wie „humanitäre Intervention“, „Sanktion“, „Friedensmission“ etc. War der „gerechte Krieg“ der Einschränkung der Gewalt förderlich, so rechtfertigt der moderne „gerechte Krieg“ den massiven Einsatz der äußersten Mittel, wie im Bestrafungskrieg des Westens gegen den Irak. In den Händen „rachsüchtiger Pazifisten, liberaler Freimaurer, die Demokratie verbreiten wollender Imperialisten, die Menschheit (und folglich sich selbst) verehrender Humanitaristen“, entartete der gerechte Krieg des Mittelalters „zu seiner heutigen satanischen Karikatur“.

Kontakt: Frank Böckelmann, Nürnberger Str. 32, 01187 Dresden. Das Einzelheft kostet 8 Euro, ein Jahresabo 32 Euro. www.tumult-magazine.net

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen