© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/15 / 20. März 2015

Dorn im Auge
Christian Dorn

Die Berliner Zeitung verkündet zum Frauentag am 8. März auf ihrer Titelseite die Einführung vom „Quötchen“, der Frauenquote in Aufsichtsräten. Die Bedienung im Café ist deshalb „bedient“ – sie empört sich stundenlang über dieses Diminutiv, ohne zu realisieren, daß diese moralisierende Formulierung genuiner Ausdruck jener Quotenideologie ist, die sie selbst vehement verteidigt.

Unter dem aufgebrochenen Asphalt der Straße lugt das jahrhundertalte Kopfsteinpflaster hervor. Angesichts der vielen neuen Buchtitel, die die Zeit vor 1989 beschwören, kommt mir ein Spruch aus der Endphase der DDR in den Sinn: „Ach wär ich nur ein Pflasterstein, dann könnt ich bald im Westen sein.“ Bei der Buchvorstellung von Alexander Osang im Babylon kokettiert der Moderator Knut Elstermann, für den Westen hätte er auch seine Großmutter verraten.

Die junge Mutter an der Theke des Cafés entschuldigt sich für ihre etwa zweijährige Tochter, die mit ihrem Holzspielzug hemmungslos gegen das Glas der Terassenfenster schlägt, sie seien in Kreuzberg aufgewachsen, und fügt an: „Ich sag ihr immer, sie soll nicht mit Steinen werfen.“ Darauf der Verkäufer in einem zwischen Beschwichtigung und Ermutigung schwingenden Ton: „Na, der 1. Mai ist ja nicht mehr weit.“

Im ICE-Bordrestaurant ist der Euro-Raum noch in Ordnung. Er: „Bei diesem Griechisch fangen wir beide von Null an.“ Sie ergänzt: „Und Französisch nutzt mir gar nichts“, während sie das letzte Stück Flammkuchen verzehrt.

Die Leipziger Buchmesse hat eine ganze Halle für das Cosplay reserviert – und diskriminiert alle sexuellen Minderheiten, da es nur zwei Umkleidekabinen anbietet: für „Herren“ und „Damen“ – heraus kommen infantilisierte Phantasiegestalten. Nachdem ich dieses Publikum verächtlich belächelt habe, keimt in mir ein Verdacht: Vielleicht proben die ja hier für den Ernstfall.

Am Messestand der Bundesregierung gibt es ein Quiz für Kinder. Leider wird nicht danach gefragt, welches Buch die Kanzlerin als „nicht hilfreich“ bezeichnet hat. Stattdessen wird zum Datum des 17. Juni 1953 als Antwortmöglichkeit der Baubeginn des Flughafens Berlin-Schönefeld vorgegeben. Der Verband der Schriftsteller wirbt mit einem Plakat unter dem Motto „Worte gegen Rechts“, ein Projekt, das von der Staatsministerin für Kultur und Medien unterstützt wird. Abgebildet ist ein schwarzer Farbbeutelwurf gegen eine Wand. Der Teufel steckt wohl im Detail.

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