© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/15 / 20. März 2015

Rechte Europäer
„Erbfeindschaft“ war passé: Kulturpolitik nach 1933
Oliver Busch

Für die deutsche Kulturpolitik im besetzten Frankreich gab es 1940 keine „Stunde Null“. Der Boden für eine Kooperation, für die vielgeschmähte „Kollaboration“ im Zeichen der „Neuordnung Europas“, war bereits kultiviert worden.

Dies belegen viele zeithistorische Studien zur auswärtigen Kulturpolitik der Weimarer Republik, zu privaten oder halboffiziellen Initiativen und Gesprächskreisen, die Intellektuelle beider „Erbfeinde“ schon vor der mit „Locarno“ einsetzenden Entspannungsphase zusammenführten. Was bislang jedoch weniger gründlich erforscht war als diese von Linken und Liberalen dominierten Netzwerke, die in Thomas Mann und André Gide ihre Galionsfiguren fanden, sind Beziehungen zwischen deutschen und französischen Nationalisten.

Hier setzt die bei Eckhard Jesse betreute Dissertation Sebastian Liebolds an. Allerdings gönnt sie der Zeit vor 1933 lediglich flüchtige Blicke, um sich auf die Wahrnehmung Frankreichs durch deutsche Rechtsintellektuelle und die Deutschland-Bilder ihrer ideologischen Wahlverwandten im Nachbarland zu konzentrieren. Um das Thema weiter einzugrenzen, wählte Liebold jeweils nur drei Exponenten, die die „Kollaboration des Geistes“ seit 1933 vorbereiteten, die dann zum Stützpfeiler der deutschen Frankreichpolitik zwischen 1940 und 1944 werden sollte.

Für das französische Deutschlandbild der 1930er zieht Liebold die Arbeiten von André Germain, Alphonse de Châteauxbriant und Bertrand de Jouvenel heran, während er Friedrich Sieburg, Karl Epting und Johannes Stoye auswählt, um deutsche Frankreichraster zu erfassen. Über Sieburg kann Liebold wenig Neues berichten. Bei Epting, dem Kritiker der französischen Kulturmission unter der Fahne der kosmopolitischen „Zivilisation“, verdrängt leider moralische Empörung ruhige Analyse.

Mit dem vergessenen Geopolitiker Stoye gelingt Liebold jedoch eine echte Entdeckung. Vom Stoye-Kapitel profitiert der deutsche Leser daher in ähnlich reichem Maß wie von der Präsentation der eher unbekannten französischen Autoren. Etwas versteckt findet sich als Fazit die hübsche Pointe, daß Kulturpolitik in der NS-Diktatur wie im demokratischen Frankreich „paradoxerweise“ das gleiche Ziel verfolgt habe: die eigene Nation als „Vormacht“ Europas zu etablieren.

Sebastian Liebold: Kollaboration des Geistes. Deutsche und französische Rechtsintellektuelle 1933–1940. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2013, broschiert, 352 Seiten, 78 Euro

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